Am 7. September 2020 erhielt Susanne Bisovsky den Outstanding Artist Award für experimentelles Modedesign des BMKÖS (Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport). Die Preisverleihung erfolgte im Rahmen Austrian Fashion Awards anlässlich der Vienna Fashion Week. Die Ausnahmedesignerin arbeitet mit aufwändigen Techniken, wie sie sonst nur in der Haute Couture in Paris zu sehen sind. Durch die statische Art ihrer Modelle wirken ihre Models wie Puppen in Spieluhren. Auch wenn sich Bisovsky mit ihrer Arbeit der Eindeutigkeit entzieht, hat sie doch eine klare Haltung zur Tracht(enmode). Mehr dazu in einem zeitlos schönen Interview, das ich 2012 mit ihr führte:
Foto oben: SUSANNE BISOVSKY – INNOCENTIA (c) Atelier Olschinsky
Susanne Bisovsky hat 1998 unter Helmut Lang ihren Abschluss in der Modeklasse an der Universität für Angewandte Kunst gemacht. Fasziniert von längerwährenden Bekleidungsformen hat sie sich schon sehr früh der Tracht gewidmet. Heute gilt sie als Ausnahmedesignerin.
Sie nehmen Bezug auf Aspekte traditioneller Bekleidung, distanzieren sich aber von Trachtenmode?
Wer von Tracht spricht, meint meist Trachtenmode oder ein zentrales Teil namens Dirndl. Ich verstehe unter Tracht historische regionale Bekleidungskonzepte und deren Einfluss auf das Verhalten. Daher weiß ich auch, dass das regionale Bekleidungsverhalten immer schon überregional beeinflusst war. Eine statische Definition von Tracht ist deshalb für mich nicht gegeben. In meiner Arbeit rekonstruiere ich alte Techniken, Muster, Schnitte oder Materialien und wende neue Methoden wie Schonen, Wenden, Backen (Anmerkung: von Röcken …) an.
Dieses Interview erschien im Februar 2012 in der Österreichischen Textil Zeitung
Wie genau definieren Sie den Stil der Kleidung, die Sie schaffen?
Ich arbeite an einem Wiener Chic, den ich im Straßenbild vermisse. Das hat auch mit Benehmen und Stil zu tun. Es sind Frauenbilder wie ein Wiener Mädel, oder eine Wiener Dame, die ich erschaffen möchte. Mich interessieren aber nicht nur Aspekte eines alten Wiens sondern auch Aspekte der viktorianischen Ära. Dabei geht es mir um bestimmte Kleidungsstücke und die Tatsache, dass sie sich lange bewährt haben. Darin liegt eine besondere Kraft und Klugheit. Eine Schönheit, mit der man wieder arbeiten kann, die aber nicht eins zu eins übernommen werden darf, wie dies in Retrostilen der Fall ist.

Stimmt Ihre Eigendefinition mit der Wahrnehmung durch Ihre Kunden überein?
Sie empfinden etwas Vertrautes, wissen aber nicht, in welcher Zeit sie sich befinden. Das freut mich, weil Eindeutigkeit nie die ganze Wahrheit ist und eine eindeutige Zuordenbarkeit langweilig ist.
Französische und englische Bloggerinnen entdecken in Ihren Produkten Lolita-Appeal und multikulturelle Referenzen. Einverstanden?
Im Lolita-Appeal liegt das Problem der Sicht auf die Tracht verborgen. Die durch den Hype erzeugte Art von Trachtenmode ist so sehr Verkleidung, dass sie auch unheimlich viele und unheimliche Spielräume zulässt. In den Internet-Suchmaschinen beantworten mittlerweile Begriffe wie Fetisch und Latexdirndl die Frage, warum ein Dirndl als Fetisch wahrgenommen wird. Das Dirndl taugt zum klischeébeladenen Rollenspiel. Das soll so sein, aber es hat nichts mit meiner Arbeit zu tun. Multikulturell dagegen ist nur ein politisch einsetzbares Schlagwort. Einflüsse existieren kreuz und quer durch alle Zeiten. Wäre das anders, würden wir keine Kartoffelchips essen.
Welche Rolle spielt der Wien in Ihrem Konzept?
Wien bietet mir einen großartigen Fundus. Aber es gibt auch in anderen Regionen und Ländern spannende Bekleidungskonzepte, die mir ebenso wichtig sind.
Sie stellen eine Everlasting Linie her. Die Mode hingegen definiert sich über den permanenten Wandel. Welche Beziehung haben Sie zu Mode?
Tracht bedeutet für mich auch, wie man aus wenig viel machen kann! Meine Kleidungsstücke sind für den bewussten Konsum bestimmt. Schließlich bringt eine Verlangsamung des Tempos mehr Zeit zum Denken und Genießen mit sich. Der Gedanke an die Überproduktion in der Modeindustrie ist mir unangenehm. Ich denke nachhaltig und möchte besser, weniger, sinnvoller und genauer produzieren um möglichst wenig Abfall zu hinterlassen.
Was sagt der Titel Mitgift über das Konzept Ihrer Prêt-à-porter Linie?
Mitgift ist einfach eine sehr schöne Vorstellung. Da bekommt man etwas Gutes überliefert. Ein gut gefüllter Kasten reicht. Es muss nicht der begehbare Schrank sein.
Wie können Sie Ihre hohen stilistischen Ansprüche umsetzen, woher beziehen Sie die Stoffe und wie erfolgt die Fertigung?
Die Couture wird im Wiener Salon gefertigt. Die Ensembles bestehen aus Kleidung, Hut, Tasche, Schirm und Handschuhen sowie zum Gesamtlook entwickelte Schuhe im Stil der französischen Haute Cordonnerie. Die Stoffe kreiere, bearbeite und überlagere ich selbst. Ich lasse auch eigene Dessins drucken und weben. Die Prêt-à-porter entsteht in der Zusammenarbeit mit Fertigungsbetrieben, mit denen ich langfristig zusammenarbeite und die genau wissen, was ich will.
Wie treffen die verschiedenen Linien auf Ihre Trägerinnen?
Auch im Marketing widersetzen wir uns dem Mainstream. Wir leben in einem Paralleluniversum mit gelegentlichen Berührungspunkten – wie die Couture Modeschau zuletzt in den Cubic Studios Düsseldorf – die uns zeigen, ob wir richtig liegen. Die Prêt-à-porter verkaufen wir nur in Shops, zu denen wir ein besonderes Verhältnis aufbauen können. Wir treten nicht offensiv auf und trotzdem rechnet es sich für uns.
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