Megatrends unternehmerisch nutzen

Wie man von Megatrends zu Informationen kommt und diese im Alltag nutzbar macht. Das erklärte Designdenkerin Roxanna Noll von der Zukunftsinstitut Workshop GmbH in einem Event der Kreativwirtschaft Austria am 11. Juni 2018 in Wien.

Mit dem Begriff Megatrend baut das Zukunftsinstitut auf der 1992 von Zukunftsforscher John Naisbitt eingeführten gleichnamigen Theorie auf. Um die komplexe Thematik einfach vermitteln zu können, wurde eine Megatrend Workbox entwickelt, die einen Überblick über die wichtigsten Veränderungsprozesse geben soll. Trends sollen so aufbereitet werden, dass diese möglichst direkt in Innovationsideen einfließen können.

Vom schnelllebigen Konsum bis zur Verschiebung tektonischer Platten

Wandel findet ständig statt, auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, erklärte Roxanna Noll einführend. Eine sechsstufige Skala, die sie präsentierte, führt vom kurzfristigen zum langfristigen Wandel – beginnend bei der schnelllebigsten Kategorie Mode und Konsum. Hier vollziehen sich Veränderungen innerhalb eines Jahres. Auf Rang zwei folgen Zeitgeist/Märkte mit bis zu fünf Jahre dauernden Veränderungsphasen. Wirtschaft, auf Rang drei, zeigt Wellentäler, die in Zyklen von sieben bis zehn Jahren durchlaufen werden. Auf Rang vier folgt Technologie, die im Abstand von ca. 15 Jahren bahnbrechende Innovationen hervorbringt. Roxanna Noll spricht von Kontradikt-Zyklen, die unsere Lebenswelten radikal verändern. Als aktuelles Beispiel nennt sie die künstliche Intelligenz. Weit zäher vollzieht sich der gesellschaftliche Wandel auf Rang fünf. Dieser erstreckt sich über einen Zeitraum von 200 bis 8000 Jahren. Als Beispiel nennt die Designdenkerin den Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft. Auf Rang sechs folgt schließlich der natürliche Wandel, der mitunter hunderttausend und mehr Jahre dauert. Das Beispiel das sie nennt, ist das Verschieben tektonischer Platten. Megatrends bilden den Kern der Skala. Flankiert von Wirtschaft und Technologie markieren diese Entwicklungen, die sich über zehn bis 50 Jahre ziehen.

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Megatrends bilden den Kern der Skala und markieren einen Wandel, der sich in zehn bis 50 Jahren vollzieht. (c) Zukunftsinstitut Workshop GmbH

Technologische Auswirkungen von Megatrends

In der Workbox des Zukunftsinstituts werden 12 Megatrends behandelt. Darunter Phänomene wie Globalisierung, Urbanisierung und Individualisierung. Digitalisierung bildet keinen eigenen Megatrend sondern ist Teil der Konnektivität. Roxanna Noll: „Das zeigt, wie wir die Megatrends sehen. Wir konzentrieren uns weniger auf technologische Auslöser als auf gesellschaftliche Auswirkungen von Technologien.“

Grundsätzlichen menschlichen Bedürfnissen folgend

Die Megatrends passieren nicht unabhängig voneinander, sondern haben auch Wechselwirkungen. So findet etwa bei der Digitalisierung eine verstärkte Vernetzung zwischen Menschen, Dingen und Daten statt. Durch diese Verbindungen wird permanent Wissen vermehrt. Daraus ergibt sich ein weiterer Megatrend, die Wissenskultur. Im Sammeln von Wissen ortet das Zukunftsinstitut ein grundsätzliches menschliches Bedürfnis. Ebenso in den Megatrends Sicherheit, Gesundheit, Silver Society, und Mobilität. Woraus sich eine wesentliche Orientierung der Megatrends ergibt.

Trendsignale in größere Sinnzusammenhänge einordnen

Die Arbeit der Zukunftsforscher basiert auf der genauen Beobachtung der Gegenwart, dem Scannen des Alltags. Anhaltspunkte liefern sogenannte schwache Signale, die statisch und dynamisch zugleich sein können. Megatrends sind das Schema, das die Einordnung der schwachen Signale in größere Sinnzusammenhänge ermöglicht, so Roxanna Noll. In Erscheinung treten diese schwachen Signale z.B. in Pressemeldungen, wissenschaftlichen Studien oder in Startups – grundsätzlich aber in allen Lebensbereichen. Weder klar erkennbar noch eindeutig positioniert, scheint deren Verteilung für Außenstehende willkürlich. Auch sind Megatrends nicht trennscharf und zeigen Verbindungen zu anderen Megatrends.

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Trends als schwache Signale, die in allen Lebensbereichen aufscheinen können. (c) Zukunftsinstitut Workshop GmbH

 „Innovationen entstehen dann, wenn man zwei unterschiedliche Dinge verbindet, die vorher nicht verbunden waren.“ Roxanna Noll

Verbindungen sind lt. Roxanna Noll der entscheidende Ansatzpunkt für Trendarbeiter. Die Verbindungen müssen nicht unbedingt auf Megatrends bezogen sein. Es können zwei ganz unterschiedliche Dinge sein, wie etwa zwei Unternehmen aus verschiedenen Branchen, zwei Menschen, die jeweils andere Perspektiven haben … entscheidend ist, dass durch deren Verbindung etwas ganz Neues entsteht.

Strukturiertes Generieren von Innovationen

Die entsprechende Methode, die im Zukunftsinstitut entwickelt wurde, läuft unter dem Begriff Cross-Innovation und bezeichnet ein strukturiertes Generieren von Innovationen. Noll unterscheidet drei Prinzipien:

– Kombination von Trends

– Kooperation zwischen Unternehmen

– Übertragung von Erfolgsprinzipien (z.B. branchenübergreifend)

Subtrends als Andockstellen für Megatrends

Um das Schema der Cross-Innovation verständlich darzustellen, ordnete das Team um Noll jedem Megatrend fünf Subtrends zu, die diesen gut beschreiben. Wobei die Entscheidung auf momentan stark wahrnehmbare Trends fiel – und solche, die viele Andockstellen für andere Trends bieten. Dadurch ist die Kreuzbarkeit von Punkten gewährleistet. Als Beispiel nennt Roxann Noll das Phänomen Blockchain, das u.a. Verbindungen zu den Megatrends Mitmachmärkte, Plattform-Ökonomie und Cyber-Security zeige.

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Megatrends sind nicht trennscharf und zeigen Andockstellen zu anderen Trends. (c) Zukunftsinstitut Workshop GmbH

Blockchain ist eine Art dezentral aufgebautes Grundbuch. Darin sind Transaktionen verzeichnet, die verschlüsselt und verkettet werden, so dass nachträgliche Transaktionen unmöglich sind. Als konkrete Anwendung nennt Roxanna Noll eine Kooperation von Lebensmittelhändlern mit IBM, Anbieter der Blockchain-Technologie. In der Kooperation sollen Lieferketten auf der Blockchain abgebildet und über einen QR-Code auf dem Produkt abrufbar gemacht werden. Wenn ein bedenkliches Lebensmittel identifiziert wird, ist in Sekunden feststellbar, welchen Weg es genommen hat. Dadurch lässt sich die Verbreitung von Lebensmittelinfektionen ohne Zeitverlust verhindern.

Die öffentliche Wahrnehmung von Innovationen

Innovative Technologien erhalten durch aufgeregte Medienberichterstattung in einem frühen Stadium rasch große Aufmerksamkeit. Die öffentliche Wahrnehmung dieser Innovationen illustriert Noll mit der Abbildung des Gartner Hype Cycle. Vom technischen Auslöser bis zum Gipfel der überzogenen Erwartungen und dem Tal der Ernüchterung ist es meist eine kurze Zeitspanne. Das Tal der Ernüchterung ist i.d.R. mit negativer Medienberichterstattung verbunden. Erst über den länger währenden Pfad der Aufklärung erreicht die Technologie das Plateau der Produktivität und Marktreife. Blockchain bewege sich gerade vom Gipfel der überzogenen Erwartungen in das Tal der Ernüchterung. Bis zum Plateau der Produktivität können noch zwölf Jahre vergehen.

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Medien beeinflussen die öfffentliche Wahrnehmung von Innovationen. (c) Zukunftsinstitut Workshop GmbH

Megatrends sind Lawinen in Zeitlupe

Was Roxanna Noll daraus als Learning mitgeben möchte: „Follow the trendlines not the headlines.“ Es geht nicht darum, wie viel die Medien darüber berichten, sondern zu verstehen, in welcher Phase sich der Trend gerade befindet. Megatrends sind Lawinen in Zeitlupe. Sie fangen kaum wahrnehmbar an und entwickeln zunehmend Geschwindigkeit und Wirkkraft.

Zu jedem Trend gibt es einen Gegentrend

Radikaler Wandel ruft immer auch Widerstand hervor. Zu jedem Trend gibt es einen Gegentrend, Menschen, die den Trend anhalten wollen. Im Fall der Digitalisierung war dies der Trend ‚Digital Detox’, der wesentlich von Tristan Harris angetrieben wurde. Der ehemalige Google-Mitarbeiter war selbst an der Erforschung der Technologien beteiligt und verlor später den Glauben daran. Seine Kritik gilt der Manipulation durch die technischen Medien. Diese finde allein schon durch deren Architektur statt. Harris plädiert für eine humane Technologie, die sich wieder an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

Auch zwischen Trend und Gegentrend gelte es Verbindungen zu schaffe, so Roxanna Noll. Beispiel dafür ist die 2018 von Google gelaunchte Digital Wellbeing Initiative in welcher der Nutzer z.B. Feedback in Form von Daten bekommt. Er erfährt wie viel Zeit er mit seinem Handy und seinem Laptop verbringt und wie er die Geräte nutzt.

Menschenzentriertes Denken

Noll hat die School of Design Thinking am Hasso Plattner Institut an der Universität Potsdam besucht und berichtet abschließend von deren Ansatz. Ziel sei es, die Studenten mit dem systematischen Generieren von Innovationen vertraut zu machen. Im Vordergrund stehe immer der Mensch und dessen Erfahrung mit der Technologie – egal um welche Innovation es sich handle. Grundsätzlich werde in drei Elemente unterschieden:

Mensch (Wünschbarkeit)

Technik (Machbarkeit)

Wirtschaft (Rentabilität)

Zuerst werde Empathie für den Menschen/Nutzer generiert und erst im zweiten und dritten Schritt werde das Projekt mit Machbarkeit und Rentabilität abgeglichen. Ergebnis sei die Experience-Innovation.

Hildegard Suntinger

 

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