Wie die Toxizität textiler Chemikalien vergleichbar wird

Die Emissionen toxischer Substanzen stellen – neben dem hohen Wasserverbrauch – die größte Umweltbelastung im Lebenszyklus von Textilien dar. Deren Bewertung war in der Vergangenheit schwierig, weil die mit der Herstellung bzw. Aufbereitung verschiedener Fasern verbundenen Subprozesse sehr verschieden sind.

Die schwedische Forscherin Sandra Roos untersuchte in einem über fünf Jahre laufenden Projekt erstmals 30 Subprozesse in der Herstellung von synthetischen und natürlichen Textilfasern. Roos nahm eine Lebenszyklus-Perspektive ein und erfasste alle Phasen – vom Anbau bzw. der Gewinnung über die Aufbereitung und Produktion bis hin zur Nutzung und dem Abfallmanagement. Sie berücksichtigte auch die Effekte von Hintergrundprozessen wie Elektrizitätsverbrauch und –gewinnung. Damit ermöglichte sie erstmals den Vergleich sehr unterschiedlicher Produkte und erschloss einen Bereich, in dem es bis jetzt große Wissenslücken gab. Die quantitative Erfassung der Toxizität textiler Chemikalien soll verschiedene Subprozesse in der Produktion vergleichbar machen und der Bekleidungsindustrie wirkungsvolle Umweltstrategien liefern. Die Autorin geht davon aus, dass eine Reduktion der Umweltbelastung in der Bekleidungsproduktion nur durch neue technologische Lösungen beeinflusst werden kann.

Nicht neu ist der Befund der außergewöhnlich hohen Umweltbelastung durch konventionellen Baumwollanbau. Grund dafür ist der Einsatz großer Mengen von Insektiziden. Neu hingegen die Erkenntnis, dass es nicht die Art der Faser ist, die die Umwelt schwer belastet, sondern deren Aufbereitung – also Spinnen, Weben, Stricken – und vor allem Färben. Chemikalien, die in der Aufbereitung genutzt werden, sind in ihrer Schädlichkeit mit dem Baumwollanbau vergleichbar. Damit zeichnet sich eine Wende ab. In der Vergangenheit basierten die meisten Umweltindizes auf der Art der verwendeten Faser, d.h. Wolle, Nylon, Polyester oder Baumwolle.

Verbraucherverhalten

Durch die Einbeziehung der Nutzungsphase haben Roos’ Forschungen auch Erkenntnisse für ein umweltbewusstes Verbraucherverhalten gebracht. Die Forscherin weist der Nutzung der Kleidung über die potenzielle Lebenszeit den wichtigsten Aspekt im Produktlebenszyklus zu. Die potenzielle Lebenszeit liegt bei 100- bis 200mal Tragen und ist wichtiger als Art und Ort der Produktion. In den industrialisierten Ländern ist dies allerdings nur in geringem Ausmaß der Fall. In Schweden kaufen die Konsumenten im Schnitt 50 Kleidungsstücke pro Person und Jahr. Ähnliche Zahlen sind auf den Rest Europas und die Vereinten Nationen anzuwenden.

Der Art der Produktion kommt aufgrund des hohen Verbrauchs große Bedeutung zu. Weil Produktionsbedingungen oft undurchsichtig sind, empfiehlt Roos umweltbewussten Verbrauchern Dinge zu verändern, die sie selbst beeinflussen können. So seien es insbesondere Shoppingtrips mit dem Auto, die einen der größten Klimaeffekte im Kleidungslebenszyklus verursachen. In Schweden liegt dieser Anteil bei 22 Prozent.

Nutzungszyklus

Roos vergleicht den Klima-Effekt verschiedener Materialien und konnte so auch die jeweils angebrachte Nutzungsdauer berechnen. Demnach muss ein schwarzes Baumwoll-T-Shirt dreimal so oft getragen werden, wie ein schwarzes Polyester-T-Shirt, um die produktionsbedingte Umweltbelastung zu kompensieren. Problematisch an Baumwolle ist sowohl die Verbreitung von Toxinen in der Produktion als auch das Färben in dunklen Farben.

Die Nutzung eines Kleidungsstückes durch seine potenzielle Lebenszeit kann auch durch Verschenken oder Verkaufen erreicht werden. Spenden an die Kleidersammlung sind allerdings nicht die beste Lösung. Es gibt einen großen Überhang an gesammelten Kleidern und nur ein kleiner Teil wird weiterhin als Kleidung genutzt. Wenn Konsumenten gebrauchte statt neue Kleidung kaufen, ist der Umweltvorteil allerdings wesentlich.

Auch Waschen und Trocknen belastet die Umwelt und verkürzt die Lebenszeit der Kleidung. Jedoch ist der Klimaeffekt von Waschen und Trocknen weit geringer als jener der Shoppingtrips. Online Shopping bietet aus Umweltperspektive grundsätzlich eine gute Alternative. Allerdings nur wenn man die richtige Wahl trifft und keine Ware retourniert. E-Retailer nehmen nicht die gesamte retournierte Kleidung wieder ins Sortiment auf.

Textilien mit positivem Klima-Effekt

Auch in der Erforschung und Entwicklung von Textilien aus Bäumen und Pflanzen sieht Roos einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigen Industrie. Viskose, Modal und Lyocell sowie Tencel weist die Studienautorin einen positiven Klima-Effekt aus.

Die Wahl biologischer Kleidung hat grundsätzlich einen positiven Klimaeffekt. Zu bedenken sei lediglich, dass die Bezeichnung Biobaumwolle nur für den biologischen Anbau der Baumwolle steht und nichts über den weiteren Produktionsprozess (Färben und Behandlungen) aussagt.

Die Studie erschien 2016 unter dem Titel ‚Advancing life cycle assessment of textile products to include textile chemicals – inventory data and toxicity impact assessment’ an der Technischen Universität Chalmers in Gothenburg (SWE). Kooperationspartner war das Forschungsinstitut Swerea.

Hildegard Suntinger

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