Modeblogs: Digitale Mundpropaganda

Während sich die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Modebloggens hartnäckig halten, haben es die Talentiertesten unter ihnen schon zu Millionenunternehmen gebracht. Auch im deutschsprachigen Raum professionalisiert sich die Szene.

Ein Problem der aufstrebenden Modebloggerszene ist jenes der Definition. Zunächst fühlten sich die Journalisten von der neuen Konkurrenz aus dem world wide web betroffen. Aber das ist irreführend und unzureichend. Irreführend, weil Schreiben in Tagebuchform subjektiv ist. Vom Journalisten wird hingegen Objektivität gefordert. Unzureichend, weil es nur einen Teil des Bloggerjobs beschreibt.

In Fachkreisen wird der Blog als neuer Kanal im Kommunikationsmix definiert und ist  an der Schnittstelle zu Public Relations und Marketing angesiedelt. (siehe: t3n digital pionieers, 27.06.14)

erschienen in TZ 18, 15.09.2016

Diese Mischung verschiedener Kommunikationsarten fordert Soziale Medien-affine Kommunikationstalente. Ein Blick in die jährlich herausgegebene Liste der 20 einflussreichsten Blogger im Online-Magazin Fashionista (14.03.16) zeigt, dass ein Studium oder Erfahrung in der Modeindustrie durchaus hilfreich sein können. Auch wenn der frühe Erfolg meist mit Abbruch des Studiums bezahlt wird.
Fashionista misst den Einfluss der Blogger an mehreren Faktoren. Basis sind die Zugriffe auf deren Website sowie deren Follower und Aktivitäten auf den Social Media Kanälen (Instagram, Twitter, Facebook, Youtube und Pinterest). Weiters zählt, ob sie es schaffen,

  • eigene Kollektionen oder Kollaborationen mit Brands zu landen;
  •  für prestigeträchtige Brands zu arbeiten;
  • für Werbekampagnen gebucht zu werden;
  •  in der Google News Search Schlagzeilen zu generieren;

Instagram als populärster Kanal

Die Blogger im Ranking erreichen die höchsten Followerzahlen auf Instagram. Die Erstplatzierte, Chiara Ferragni führt mit 5,6 Mio. Sie war die erste Bloggerin, die auf einem Cover erschien –  mittlerweile sind es 25. Die höchsten Umsätze macht sie mit ihrer eigenen Schuhkollektion, die ihr im vergangenen Jahr 10 Mio. Dollar einbrachte. 2015 wurde ihr Businessmodell Gegenstand einer Studie an der Harvard Business School.

Öffentlich vs. privat

Ferragnis beherrscht die verfließenden Grenzen von öffentlicher und privater Sphäre in den Sozialen Medien perfekt. Auch als sie sich von ihrem Freund und Manager trennte, geschah dies nicht ohne entsprechendes Posting. Und als sie ein Bild von ihrem neuen Freund postete, knackte sie auf Instagram die Millionenmarke. Das erzählte sie dem amerikanischen Modemagazin Womens Wear Daily. Wie es allgemein die Fotos aus dem Alltag seien, die die Zugriffsquote nach oben schnellen ließen, so Ferragni.

Persönlicher Stil

Die Italienerin war mit ihrem Blog The Blonde Salad 2009 die erste, die nicht wie ihre Vorgängerinnen auf Streetstyle oder Modekritik setzte, sondern auf die digitale Darstellung ihres persönlichen Stils. Damit wurde sie zum Vorbild unzähliger Modebloggerinnen global. Für Ferragni ist die große Zeit der Personal Blogs schon vorbei. Sie empfiehlt in einem Vogue Video Portrait (11.03.16) »lieber etwas Neues zu machen, was noch keiner gemacht hat«.

Chiara Ferragni_(c) Timur Emek_4281
Chiara Ferragni_(c) Timur Emek

Geschichten erzählen

Im deutschsprachigen Raum stecken Modeblogs noch in den Anfängen. Lisa Banholz, die Kommunkationsexpertin der drei Bloggerinnen von Blogger Bazaar in Berlin, sieht noch großes Potenzial. Man müsse nur witzige Fotos posten, Charakter zeigen, Geschichten erzählen, die die Leser mitnehmen, hohe Fotoqualität bietet und eine gute Kameraausstattung haben, so Banholz in einem Youtube Video.

Für die Modeindustrie sind Blogs ein ideales Medium. Blogs vermitteln Begeisterung für Mode und sind für die Endverbraucher nahbarer und nachvollziehbarer als vergleichsweise anonyme Modemagazine. Die Bloggerin wird zum Ideal und zur virtuellen Freundin. Objektivität darf man sich allerdings nicht erwarten.

Die Szene professionalisieren

Die Drei arbeiteten erstmals 2013 zusammen. Damals halfen Banholz und Lena Lademann ihrer Freundin Tanja Trutschnig bei der Organisation des Blogger Bazaar. Das war ein Event, der Blogger mit ihren Fans zusammenbrachte und letzteren ermöglichte, aus der Garderobe ihrer Lieblingsblogger zu shoppen. Auf diese Zusammenarbeit folgte die Gründung des Blogs und der Agentur. Gemeinsam wollten sie der Szene einen professionellen Anstrich geben. Schließlich sagten selbst ihre eigenen Freunde »Ihr macht nur Urlaub und postet irgendwelche Klamotten.« Tatsächlich seien ihre Tage so durchprogrammiert, dass sie von Morgens um 6 bis Nachts um 12 auf den Beinen seien erzählten sie dem Onlinemedium Lilies Diary.com (17. Juli 2015)

Wertschätzung für Kreativarbeit

In ihrer Agentur für Blogger Relations möchten sie Wertschätzung für die kreative Arbeit der Blogger erreichen. Das tun sie, indem sie Unternehmen beraten sowie Projekte kreieren und abwickeln. I.d.R. sind es Multimarkenprojekte, die sie gemeinsam mit einer geeigneten Blogger Crowd umsetzen. Eines dieser Projekte lief unter dem Titel Cruise und wurde auf einer Yacht auf Mallorca gefeaturet. Mit im Gepäck: Die Produkte verschiedener Brands. Gemeinsam mit ausgewählten Bloggern, Fotografen und Kamerateam starteten sie eine Foto- und Filmsession. Indem die Blogger das Material in Echtzeit über ihre Kanäle verbreiteten, erhielt das Projekt hohe Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien und erreichte auch bei nicht involvierten Bloggern Aufmerksamkeit in Form von Likes, Shares und Kommentaren.

Ähnlich lief der Besuch des Coachella Festivals nahe Los Angeles ab, bei dem sie 2015 als erste Blogger deutsche Marken im Rahmen eines internationalen Events darstellten, wie Lena Lademann, die Graphikexpertin bei Blogger Bazaar, in einem Telefongespräch erklärt.

Blogger und Marken zusammenbringen

Durch die Vermittlung ihrer Bloggerexpertise auf Agenturebene möchte Blogger Bazaar interessierten Unternehmen eine glaubwürdige Produktplatzierung ermöglichen, die sich in ein gutes Storytelling einbauen lässt. Laut Lademann ist die Kommunikation über  die Sozialen Medien speziell für Marken, die eine jüngere, trendorientierte Zielgruppe ansprechen, unumgänglich. Hier halte sich die Zielgruppe auf.

Weiters möchten die drei Bloggerinnen im etwas trendträgen deutschen Markt jene Dynamik erreichen, die der digitalen Kommunikation eigen ist. Wobei die Geschwindigkeit auch fordernd  sei, so Lademann. Neue Trends und Strömungen in den Social Media müssen stets beobachtet und adaptiert werden – und das ohne Authentizitätsverlust. Fordernd für die netzwerkenden Bloggerinnen von Blogger Bazaar ist auch die Wahrung des Überblicks, der essenziell ist in den Fragen

  • Welche Marke passt zu welchem Blogger?
  • Wo sind interessante neue Blogger?

Womit sie die schwierigste Aufgabe in den Blogger Relations ansprechen – das Knüpfen und Unterhalten von Netzwerken.

Wert des Bloggers

Wenn Unternehmen Bloggern ohne vorherige Absprache Produkte zusenden, dann sei nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass diese im Blog Erwähnung finden. Lademann: »Unternehmen müssen akzeptieren, dass Blogger einen erheblichen Aufwand haben, einen Blog aufzubauen und zu betreiben und in ihre digitale Mundpropaganda auch investieren.« Gleichzeitig warnt sie davor, den Wert des Bloggers ausschließlich an seiner Followerzahl zu bemessen. Ob er fähig ist, seine Follower zu aktivieren, zeige erst die zusätzliche Betrachtung von Likes, Shares und Kommentaren.
Frage der Kennzeichnung

Gerd Stodiek, Mitgründer der Berliner Bloggeragentur Zeitdeck beobachtet die Entwicklung der Szene seit ihren Anfängen – beginnend mit 2003, als er seine Masterarbeit über politische Blogs im Irakkrieg schrieb. Heute agiert er branchenübergreifend beratend, vermittelnd und ausführend als Service-Agentur im aufstrebenden Kommunikationskanal Blog; Basis ist ein Netzwerk von 3500 Bloggern. Gründungsidee war die Erkenntnis, dass Industrie und Öffentlichkeit zwar die Marktmacht der Blogger erkannt hatten, aber mit dem neuen Kommunikationskanal nicht umzugehen wussten. Mit Marktmacht meint er nicht zuletzt die Zahl der Blogger, die in Deutschland mit 500.000 zehnmal so hoch ist wie die Zahl der Public Relations Agenten und Journalisten.

Produktsponsoring

Zentrales Anliegen seiner Agentur ist die Kennzeichnung der Beiträge, die durch die Kooperation mit Unternehmen zustande kommen – sei es Sponsoring oder Honorar. Womit eine Täuschung des Lesers verhindert werden soll, der i.d.R. davon ausgeht, dass der Blogger aus eigener Überzeugung schreibt. Damit bezieht sich Stodiek auf ein Urteil der Federal Trade Commission in den USA, die ein mit Bloggern kooperierendes Unternehmen wegen fehlender Beitragskennzeichnung verurteilte. Ein Aspekt, der in der Modeindustrie mehr als relevant ist, weil Produktsponsoring an der Tagesordnung steht. Im Vergleich zu anderen Industrien findet er die Bloggerszene in der Modeindustrie überhitzt, was er auf deren Schnelllebigkeit zurückführt. Ein Modeprojekt, das er begleitete, war eine Promod Store-Eröffnung, in dem Blogger Stylings kreierten und live in allen Kanälen berichteten.

Am aufstrebenden Modemarktplatz Berlin sind Modeblogs privilegiert, aber auch in Österreich formiert sich eine Szene, die sich zunehmend global orientiert – abzulesen an der Blogsprache englisch und einer gesteigerten Ästhetik. Kooperationen konzentrieren sich im Sektor Online-Shop mit Unternehmen wie Promod, Bonprix, New Look und Edited.

Hildegard Suntinger

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1 Kommentar zu „Modeblogs: Digitale Mundpropaganda“

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