Vienna Biennale: Ob Kunst die Welt verbessern kann …

Bild oben: MAK-Säulenhalle © MAK/Katrin Wißkirchen

Am Dienstag den 17. November lud Vienna Biennale Initiator und MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein in die MAK Säulenhalle, Wien, zum Symposium. Gemeinsam mit aufstrebenden und arrivierten Künstlern verfolgte er die Frage, ob denn Kunst die Welt verbessern könne. Eine Zusammenfassung:

Roter Faden durch die Diskussionsreihe war die Digitalisierung, die neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen schafft und zu einer Beschleunigung der Entwicklungsprozesse führt, so Thun-Hohenstein in der Einleitung der Panel-Diskussion.

Als solches berge sie nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken wie einen Affektmangel sowie eine zunehmende Zweckrationalität in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Technik und Kultur. Wenn menschliche Arbeit durch künstlich intelligente Maschinen substituiert werde, sei das Ende menschlicher Selbstbestimmung gekommen, weil diese maßgeblich auf menschliche Kreativität angewiesen sei.

Für Thun-Hohenstein ergeben sich aus dieser Entwicklung maßgebliche Fragestellungen, denen sich keiner stellen müsse. Er betonte, dass die Kunst frei sei und nicht nützlich sein müsse. Dennoch erwarte er wertvolle Impulse von Künstlern; Anregungen für eine besser funktionierende Welt – die im besten Fall glücklich mache.

Nicht alle Fragen, für die es keine Lösung gibt, sind an die Kunst auszulagern.

Dorit Margreiter

Die Künstlerin Dorit Margreiter pflichtete dem bei. Das Medium Kunst sei von der Gesellschaft entwickelt worden und darum werde es wohl auch gebraucht. Tatsächlich biete Kunst die Möglichkeit zur Reflexion in gesellschaftlichen, politischen und philosophischen – aber auch in kreativen Fragen. Trotzdem seien nicht alle Fragen, für die es keine Lösung gibt, an die Kunst auszulagern. Wenn die Politik heute viele Fragen einfach beantworte, so habe Kunst die Möglichkeit, Fragen komplexer zu gestalten. Das Schwierige und gleichzeitig Gute an der Kunst sei jedoch, dass keine direkte Umsetzung möglich sei.

Der Künstler Heinrich Dunst verwies auf das Prekäre der weltverändernden Ambition von Künstlern. So haben die Handlungsanleitungen von Künstlern zu Anfang des 20. Jahrhunderts mitunter in Terror geendet. Zitat: »In Italien wurde der Künstler als Marionette zum Außenminister von Mussolini. In Österreich hat Otto Mühl vulgär explizite Maßnahmen gesetzt und keinen geringen Terror in die Welt gebracht. …

… Wir haben im 20. Jahrhundert mehr von der Kunst des Scheiterns gelernt, als von der Kunst der Veränderung.

Heinrich Dunst

In den Künstlerpositionen wurde mehrheitlich implizit Stellung bezogen, was wohl in der Natur des Kommunikationsmediums liegt … Anders Anna Witt, die ihr unter dem Thema Migration entstandenes Projekt ›Durch Wände gehen‹ präsentierte. Sie warf ein, dass der Begriff ›Welt‹ zu kurz gefasst sei. Sie sei vielmehr daran interessiert, Veränderungen auf einen Mikrokosmos herunterzubrechen um diese auf einer spezifischen Ebene zu untersuchen. Das Problem werde dadurch anschaulicher.

Im Mikrokosmos Kunst ist es wichtig, als Mensch zu agieren und nicht als Künstler.

Anna Witt

So stelle sich die Frage, ob man sich mit dem Thema beschäftigen darf, obwohl man keine eigene Erfahrung hat, so Witt. Im Gegenzug funktionieren Archive im Internet auch nur so lange man keine eigene Erfahrung habe.

Auch Sonia Leimer stellte den Begriff ›Welt‹ infrage, indem sie anmerkte, dass es die eine Welt nicht gebe, sondern viele parallel ablaufende Welten. Interessant sei der Clash zwischen realer und digitaler Welt und die Frage, ob man sich nur damit auseinandersetzen könne, wenn die eine die andere komplett überrolle.

Für Valentin Ruhry tun sich neben der Definition des Weltbegriffs noch weitere Fragen auf. So sei etwa von Interesse wie sich eine Welt verändern könne und welche Parameter für eine Veränderung hinzuzuziehen seien. Aber …

„… zumindest theoretisch habe die Kunst – durch die offenbare Existenz von deren religiöser, politischer und wissenschaftlicher Ausformung – das Potenzial die Welt zu verändern, …“

Valentin Ruhry

… auch wenn dem der verbreitete L’art pour l’art Gedanke widerspreche, so Ruhry. Bevor es dazu komme, sei noch zu klären, wie eine bessere Welt auszusehen habe.

An dieser Stelle merkte Christoph Thun-Hohenstein an, dass es Ausgrenzung und Hass seien, die vielen Problemen zugrunde liegen. Zitat: „Da müsste man mit einer besseren Welt ansetzen können.“

Ruhry beobachtet, dass eine zunehmend komplizierte Welt zunehmend einfache Antworten braucht. So sei es auffallend, dass Religionen gegenwärtig jungen Menschen wieder Halt bieten. Trotz deren konspirativer Haltung. Was er vermisst, ist die Sensibilität für das weniger Offensichtliche. Z.B. sei ein T-Shirt um fünf Euro mit Kinderarbeit verbunden, stelle ein ästhetisches Problem dar, weil es von vielen getragen werde und trage mit dem Schiffstransport einen großen Anteil zum CO2-Ausstoß bei.

Kann Kunst die Welt verbessern?

Bei dem Symposium wurden viele Annäherungen an die Fragestellung transparent – eine klare Antwort wäre geradezu banal erschienen. Vielmehr zeigten die verschiedenen Positionen die Relevanz und die Vielschichtigkeit der Frage auf. MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein möchte im Museum für Angewandte Kunst weiter Fragen zur Auswirkung aktueller Herausforderungen auf die Gesellschaft verfolgen.

Hildegard Suntinger

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