Mit der Taschenserie aus dem Wiener Geflecht hat das Designduo Sagan Vienna rasch eine Ikone geschaffen. Ihre Brand haben sie im Luxussegment positioniert – womit sie sich als Repräsentanten der Generation Y allerdings nicht ganz wohlfühlen.
Foto oben: Tanja Bradaric und Taro Ohmae in ihrem Atelier (c) Dominik Geiger
Erschienen in Wiener Journal am 17. Feber 2017
Als ich Tanja Bradaric und Taro Ohmae Anfang November im Café Prückl treffe, liegt eine intensive Zeit hinter ihnen. Der Wien Products Accessories Award, den sie im April 2016 beim Take Festival gewonnen haben, hat ihnen Präsentationen in Paris und Tokyo ermöglicht, von denen sie gerade zurückgekehrt sind. In Vorbereitung darauf haben die Modedesigner u.a. ihr erstes Home-Objekt entwickelt – ein Sitzkissen aus Leder, für das sie auch das Wiener Geflecht einsetzen, das in Wien mit Stühlen von Thonet assoziiert wird. Tatsächlich soll es in Indien entstanden und über England nach Europa gekommen sein. Im Interview erklären die Modedesigner ihre Designphilosophie und ihr Verhältnis zur Luxusindustrie:
Ihr habt seit dem Launch des Labels 2012 einen rasanten Wandel vollzogen. Was hat zur permanenten Veränderung geführt?
Wir wollten immer schon auch etwas Anderes als Kleidung designen und so war es für uns weniger Veränderung, als natürliche Entwicklung. Wenn wir mit Damenkleidung begonnen haben, dann entsprach das unserer Modeausbildung an der Universität für Angewandte Kunst. Aber wir haben bald auch Schuhe, Schmuck und Taschen designt. Damals dachten wir noch nicht wirtschaftlich; mittlerweile wissen wir, dass es Zeit und Budget braucht, um mit verschiedenen Produktionsbetrieben an verschiedenen Orten zu arbeiten und diese auch zu kontrollieren. Das kann man mit Mitarbeiterstab und Budget machen, für zwei Menschen ist das unrealistisch. Außerdem haben wir festgestellt, dass wir mit einem klaren Fokus einfacher zu erkennen und zu verstehen sind. Deshalb konzentrieren wir uns momentan auf Taschen, Home Accessoires und Strickbekleidung.
Ihr möchtet in eurer Kollektion Historie und Diversität zum Ausdruck bringen – wie ist die Herangehensweise?
Taro: Wir verwenden traditionelle Materialien, die es in mehreren Ländern gibt, die aber jeweils anders benutzt und verstanden werden. So versteht man das Wiener Geflecht in Wien als etwas Wienerisches und in Paris als etwas Pariserisches. Auf Instagram wurde es von Chinesinnen mit ‚Inspiration an einem chinesischen Stuhl’ kommentiert.
Der historische Aspekt kommt über das Material?
Tanja: Ja, Materialien sind mit Referenzen aufgeladen, aber auch die Form der Tasche könnte die Geschichte erzählen. Mit der Referenz geben wir den Produkten einen zusätzlichen Nutzen und sie wirken im Vergleich zu neutralen Produkten hochwertiger. Ich habe oft den Eindruck, dass sich Menschen unbewusst dafür entscheiden. Sie kennen es und es gibt ihnen ein gutes Gefühl – aber die Referenz ist ihnen nicht bewusst.

Materialien sind mit Referenzen aufgeladen, aber auch die Form der Tasche könnte die Geschichte erzählen. Tanja Bradaric
Wie ist der Begriff Diversität zu verstehen?
Taro: Es erfordert eine Art common sense. Viele kennen das Wiener Geflecht, haben es aber noch nie bewusst wahrgenommen; der überraschende Kontext fordert die bewusste Wahrnehmung und lässt Assoziationen entstehen. In dieser Rekonfiguration wird die Tasche mehr als eine Tasche.
Ihr habt euch dem Luxus verpflichtet – wie ist eure Definition von Luxus?
Tanja: Für mich ist Luxus einfach und zeigt sich in durchdachtem Design, gutem Material und sorgfältiger Herstellung. Fast Fashion-Konzerne kopieren Modelle vom Laufsteg und vereinfachen sie, um sie möglichst schnell und billig vervielfachen zu können. Wir hingegen machen Research, entwickeln daraus Ideen und testen Materialien und Formen; das ist viel mehr Aufwand. Ich sage nicht, dass Luxusunternehmen nicht voneinander kopieren, aber dass es Luxus ist, ein einzigartiges und wirklich neues Produkt zu entwickeln. Essenziell ist die Idee und wie und woraus das Produkt gemacht ist.
Taro: In unserer schnelllebigen Zeit hat keiner mehr Zeit über das Produkt nachzudenken, weder der Designer noch der Konsument.
Tanja: Wir überdenken unsere Produkte saisonal neu und überlegen, ob wir Funktionen, Material oder Zubehör optimieren können, um etwas wirklich Zeitloses zu entwickeln. Wenn wir unsere Taschenserie Wiener Geflecht vor vier Jahren ins Leben gerufen haben, dann mit der Ambition einen Klassiker zu schaffen.
In einer idealen Welt sollte ein Produkt auch nachhaltig produziert sein. Aber an dieses Modell glaube ich im Moment nicht. Es ist schwierig, transparente Informationen über die Produktionskette von Materialien zu bekommen. Auch wenn versichert wird, dass die Produktion fair ist, können wir es nicht überprüfen. Es könnte auch ein Marketingtrick sein, um den Preis nach oben zu treiben.

In der Modewelt muss alles jede Saison wieder neu aussehen. Wie denkt ihr darüber?
Tanja: Das Produkt muss nicht jede Saison anders aussehen; aber es muss sich von vergleichbaren Produkten anderer Labels unterscheiden. Das Design verhält sich zum Produkt wie Noten zu einer Melodie und muss unverwechselbar sein. Es gibt viele Taschen, aber keine, die so aussieht, wie unsere. Wenn das Produkt in der Art, wie wir leben und fühlen, spricht, dann macht es auch etwas mit dem Besitzer.
Taro: Wir möchten durch das Produkt in einer emotionalen Art kommunizieren, eine Bedeutung schaffen. Würden wir in Japan leben, hätten wir nicht genau diese Tasche gemacht. Das Design ist auch mit dem Ort seiner Entstehung verbunden und es ist u.a. Wien, das dem Produkt unsere Art zu leben vermittelt.
Tanja: Auch wenn wir den Begriff Luxus auf unserer Website verwenden, tun wir das nicht gern. Wir fühlen uns nicht wohl, wenn wir dem Publikum sagen müssen, wofür wir stehen. Aber im wirtschaftlichen Kontext kommen wir nicht umhin. Interessierte sehen auf der Website nur ein Bild und der Begriff hilft Ihnen, das Produkt einzuordnen.
Taro: Wir sind Teil der Generation Y, die Luxus anders erlebt. Wir leben bewusst und vermeiden Verschwendung; verzichten auf bestimmte Dinge, die die Ressourcen belasten und favorisieren andere, die unseren Moralvorstellungen entsprechen.
Tanja: Die Generation Y ist sich moralischer Probleme bewusst. In einer Recherche habe ich herausgefunden, dass viele Teenager der Zero Waste-Bewegung anhängen – und junge Mädchen auf ihren Blogs Strategien zur Müllvermeidung teilen. Beispielhaft für die Generation Y finde ich auch die aktuelle Trendsituation in China. Einerseits ist der Markt ganz verrückt nach Luxus und Mode und andererseits sind es nerdy Mädchen, die in den sozialen Medien extrem populär werden. Sie haben einen ironischen Zugang zu Mode und zeigen sich auf Fotos bewusst unvorteilhaft.
Wir möchten durch das Produkt in einer emotionalen Art kommunizieren, eine Bedeutung schaffen. Taro Ohmae
Wie bewertet ihr die Produktionsbedingungen in Österreich? Es gibt hier keine handwerkliche Tradition, wie etwa in Italien und Frankreich.
Tanja: Wir produzieren unsere Strickkleidung mitten in Wien und unsere Lederaccessoires in Wien und Belgrad. Es muss keine Tradition geben, um Luxuriöses zu produzieren. Auch wenn sich das Dogma vom idealen Produktionsland Italien hartnäckig hält. Die Italiener haben großartige Fähigkeiten, aber sie sind nicht die einzigen. Betriebe weltweit liefern großartige Arbeit und bekommen diese Wertschätzung nicht. Wir leben an verschiedenen Orten und machen Dinge an verschiedenen Orten. Warum sollte das die einzige Wahrheit sein?
Die Produktion in Italien ist teuer und schließt kleine Labels aus. Wir können unsere Produkte nicht zu den Preisen der großen Brands verkaufen, bekommen aber wegen der relativ geringen Stückzahlen höhere Preise.
Für mich ist es auch Luxus eine respektvolle Beziehung zu den Produktionspartnern zu haben, Erfahrungen zu teilen, Fähigkeiten einzubringen und gemeinsam zu wachsen. Wir achten darauf, wie wir Menschen behandeln und wie wir von Menschen behandelt werden, legen Wert auf einen menschlichen Umgangston.
Was sind eure nächsten Projekte?
Tanja: Wir arbeiten an der nächsten Kollektion und bereiten uns auf die Präsentationen im Jänner vor. Außerdem freuen wir uns, dass Teile aus unserem Archiv ab Dezember in der Ausstellung ReFashioning Austria in Shanghai zu sehen sind.
Danke für das Gespräch.
Über Sagan Vienna:
Tanja Bradaric (32) ist gebürtige Kroatin (32) und Taro Ohmae (32) Japaner. Taro hat in Tokyo das renommierte Bunka Fashion College absolviert, bevor er 2007 über London nach Wien kam. Kennengelernt haben sich die beiden in der Modeklasse an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Nach ihrem Abschluss absolvierten sie gemeinsam Praktika bei Chloé und Balenciaga in Paris. Ihr Label gründeten sie 2012 in Wien – zunächst unter ihren Nachnamen Bradric Ohmae. Im Sommer 2016 erfolgte das Rebranding in Sagan Vienna. Ihre Kollektion findet sich in Independent Fashion Stores neben jenen der bedeutendsten zeitgenössischen Modedesigner. Einer ihrer wichtigsten Märkte ist Japan. Seit Dezember ist die Taschenserie auch im Steffl Department Store in Wien erhältlich.
Hildegard Suntinger