Spieglein, Spieglein, …

Modezeitschriften nehmen Einfluss auf die geistige Entwicklung der Frau, so die deutsche Germanistin und Autorin Hannelore Schlaffer. Problematisch daran sei die Selbstbespiegelung in Verbindung mit unerreichbaren Idealen.

Foto oben: »Angel in the House«: Mrs Coventry Patmore,
portraitiert von John Everett Millais; (via Wikimedia Commons)

Hannelore Schlaffer hat in ihrem Buch »Mode, Schule der Frauen« u.a. die Charakteristik von Modezeitschriften untersucht. Ihre plakativsten Theorien beruhen auf dem Vergleich mit Männerzeitschriften. Ein Beispiel dazu: »Männer kaufen Objekte, Frauen sind sich selbst Objekt«
Dass Mode im Wesentlichen als Frauenthema gehandelt wird, erklärt Schlaffer mit den gesellschaftlichen Entwicklungen im 19. Jahrhunderts. Als »Angel in the House« (Coventry Patmore, 1854) versüßte die Frau ihrem arbeitenden Ehemann das Leben mit schönen Dingen. Da ihr die Berufswelt unzugänglich war, fand sie in ihrer Kleidung die Möglichkeit des persönlichen Ausdrucks. Zitat: »Ihre einzige Chance, eine Individualität öffentlich zu machen und als Subjekt selbstständig zu erscheinen […], war das Kleid.« Wie die Autorin anmerkt, sei die Beschäftigung mit Mode nicht oberflächlich, denn zur Anwendung des ästhetischen Code der Mode brauche es Geschmack und Intelligenz, der ein Charakter vorauszusetzen sei.

Ich kleide mich, also bin ich

In der Folge haben sowohl Feministinnen als auch Männer versucht, den Frauen das Vergnügen an ihrer ästhetischen Darstellung zu verderben. Männer, weil sie, so Schlaffer, der Mode gleichgültig gegenüber stehen und Feministinnen, weil sie die Unterwerfung der Diktatur der Mode anprangern. Aus diesem Gedankenstrang und der Tatsache, dass Prostituierte die ersten Frauen waren, die einen Beruf hatten und sich frei in der Öffentlichkeit bewegen durften, schließt die Autorin, dass die Emanzipation der Frau beim Körper und nicht beim Geist beginne. Unter den gesellschaftlich akzeptierten Frauen waren es die Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, die durch ihr modisches Äußeres auffielen. Sie wussten »die Modesprache mit der Literatursprache zu verbinden«.
Erst als Frauen Berufe ausüben durften, war ihnen neben dem Ausdrucksmittel Mode auch eine wörtliche Sprache erlaubt. Lt. Schlaffer der Zeitpunkt, zu dem Frauen begannen, sich den Habitus der Männer anzueignen. Als Anführerin dieser Revolution nennt die Autorin Coco Chanel in den 1920er Jahren.
Als eine der ersten großen weiblichen Modeschöpferinnen, fügte Chanel der Modewelt nicht zuletzt die Perspektive der Frau hinzu. Schlaffer: »In der Theorie ist der Wechsel der Perspektive vom Objekt zum Subjekt vollzogen, vom Kleid zur Trägerin.« Bis heute allerdings hält sich der Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Beschäftigung mit dem äußeren Schein, wie nicht zuletzt der internationale Bestseller »Beauty Myth« der Amerikanerin Naomi Wolf beweist., deren Conclusio Schlaffer folgend auf den Punkt bringt: »Der Schönheitsmythos schreibt in Wahrheit Verhaltensmuster vor und nicht äußere Qualitäten.«

Selbstdefinition via Modezeitschrift

In Modezeitschriften sieht Schlaffer »die eigentlichen Lehrbücher« der Frau und »die wichtigsten Orientierungshilfen für ihre Selbstdefinition«. Eine Theorie, die sie zunächst quantitativ mit dem Vergleich von Verkaufszahlen von Büchern und Zeitschriften belegt. Der Einfluss der Modezeitschriften erstrecke sich seit deren Entstehung 1758 in Frankreich auf fast alle Lebensbereiche der Frau – deren Bildungsidee demnach in Jahrhunderten gewachsen, so die Autorin.
Die Wirkung der Bilder in den Zeitschriften vergleicht Schlaffer mit den Hoffnungen eines jungen Mannes auf das große Geld oder Ruhm. Haben Wunschträume junger Männer konkrete Ziele, so sei in den Modezeitschriften der Traum bereits das Ziel. Auch vermisst sie an den Bildern in den Modezeitschriften den Realitätssinn, denn »die Figuren der Modezeitschrift benehmen sich wie ungezogene Kinder. […] nicht einmal im Pausenhof eines Mädchengymnasiums geht es gleich zu, wie in einer Modezeitschrift […]«. Schlaffer unterstellt, dass Models in Editorials sich selbst verkaufen, weil die Rezipientin bei deren Betrachtung nur an sich selbst denke. Der eine Autozeitschrift rezipierende Mann denke beim Anblick eines Fahrers, der enge Serpentinen in schnellem Tempo nimmt, an sein nächstes Auto. Daraus schließt Schlaffer: »Männer kaufen Objekte, Frauen sind sich selbst Objekt«.

Mode vs. Motorsport

Selbstbespiegelung nennt Schlaffer die Identifikation der weiblichen Rezipientin mit dem Model bzw. mit den vermittelten Idealen. Selbstbespiegelung, die nicht zum versprochen Selbstbewusstsein sondern zu Selbstzweifel führe. Mit der Abbildung von tendenziell sehr jungen Models, werde Millionen von Frauen »ihr wichtigstes Problem« suggeriert: Wer bin ich und wer sollte ich sein? Unnütze Selbstreflexionen, wie Schlaffer feststellt, denn dem mündigen Menschen gebe das Leben selbst die Antwort, respektive der Beruf. Wer sich von Modezeitschriften bevormunden lasse, suche die Antwort in den Persönlichkeitstests der Modezeitschriften, die ermunternde, beruhigende Antworten gebe. In dieser Betrachtungsweise verursachen die Modezeitschriften Selbstzweifel und nützen diese gleichzeitig um Frauen an die Zeitschrift zu binden, so Schlaffer. Eine Perfidität also, die unter dem Deckmantel der Freundschaft daherkommt. Denn Frauenzeitschriften tragen meist Frauennamen, was die vermeintlich freundschaftliche Annäherung noch unterstütze, so die Paraphrase Schlaffer’s ironischer Darstellung: »Männerzeitschriften hingegen tragen kaum je Männernamen im Titel, sie benennen das Sachgebiet […] für das der Leser Experte ist oder sein möchte.«

Weiblicher Masochismus

Besonders harte Anforderungen ortet Schlaffer in der Rubrik »Gesundheitslehre« das die »hohe Schule des Masochismus« einläute. Die Vorgaben seien unerreichbar und Resultat sei nicht »die schöne Figur sondern die gedrückte Stimmung«, so Schlaffer’s Interpretation. Eine Orientierung an den Vorgaben sei aber allein schon wegen der ständig neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse unmöglich. So seien Lebensmittel etwa heute gesund und morgen karzinogen und auf Diäten im Jänner folgen Rezepte für’s Festessen zu Ostern. An dieser Stelle kritisiert Schlaffer, dass sich noch keine Stimme gegen den weiblichen Masochismus erhoben habe. Eine »Volkskrankheit«, so Schlaffer, die nur enge Freunde und Ehemänner kennen und für sich behalten, weil sie meinen, dass es sich um einen Einzelfall handle.
Als »Tyrann« der Modezeitschrift bezeichnet Schlaffer die Thematisierung des Alters, die schon allein durch die Abbildung jugendlicher Models geschehe. Eine Illusion, welche die Rezipientin vor den Spiegel treibe, der ihr dann umso grausamer ihre Altersspuren vor Augen führe, so Schlaffer. Sie nennt dieses Phänomen »die Erziehung zur Angst vor dem Alter«. Jedem Schönheit und Jugend versprechenden Foto stehe die Reklame für ein kosmetisches Produkt gegenüber. Denn die Hauptsorge der Frau gelte der Haut, dem untrüglichsten Indikator der Vergänglichkeit. Last but not least zeige die Geschichte der Modezeitschriften, dass der »weibliche Masochismus« unmittelbar mit der Entwicklung der kosmetischen Medizin verbunden sei, so Schlaffer.

Balance zwischen Charme und Intelligenz

Den Ursprung der Modezeitschriften verankert Schlaffer in der Zeit der Aufklärung in der 2. Hälfte des 18. Jhts. Damals sollten auch Frauen am Wissensgewinn teilhaben. Gleichzeitig habe man(n) sich Gedanken darüber gemacht, wieviel Bildung der Frau zuträglich sei. Zitat aus Gottfried Gottscheds aufgeklärter Zeitschrift »Zum Nutzen und Vergnügen« (1725-26): »Dasjenige Frauenzimmer, so sich damit [mit Gelehrsamkeit] verwirret, wird meistens pedantisch, hochmütig und eigensinnig.« Aus der Perspektive der Frau ging es auch darum, die Balance zwischen Charme und Intelligenz zu halten und »Männer nicht durch allzuviel Klugheit verstimmen zu wollen«, so Schlaffer. Das Wissen, das die nun entstehenden Frauenzeitschriften vermittelten, berücksichtigte die Vorbildung der Frauen. Zitat: »Bildung war jener Teil des Wissens, an dem kluge, aber nicht studierte Frauen gerade noch partizipieren können. In der guten Gesellschaft galt alles andere Wissen als Gelehrsamkeit, das Reden darüber als Unhöflichkeit.«
Das Ziel der Erziehung zur Weiblichkeit in den Modezeitschriften formuliert Schlaffer in den Worten von »Dies Blatt gehört der Hausfrau« wie folgt: Im trauten Heim, im liebumworbnen Haus, /Streu’, deutsche Frau, des Friedens Gaben aus.« Seither seien politische Themen so gewählt, dass sie das Herz ansprechen. Speziell die Themen Umwelt, Frieden, Ernährung scheinen angetan, moralische Emotionen auszulösen.

Erste Hilfe für »die neue Chefin«

Aus den im 20. Jahrhundert beginnenden Tendenzen, »Frauen dem Beruf entgegenzuführen«, liest Schlaffer auch noch im neuen Jahrtausend Zynismus, der eher an Scheitern denken lässt. So ermuntere Petra im April 2005 die junge Unternehmerin mit den Worten »Na klar schaffen Sie das!« und empfiehlt ihr mehrere Bücher unter dem Titel »Erste Hilfe für die neue Chefin«. Statt fachspezifischer Informationen gebe es für die berufstätige Frau in den Modezeitschriften Schulterklopfen und menschliche Anteilnahme, so Schlaffer. Zitat: »Diese Charakter-Karrieristin ist ein weiblicher Charlie Chaplin, […] köstlich anzusehen in ihrer weinerlichen Unprofessionalität.«
Den Beleg dafür, dass Frauen keine »politische Information und fachkundige Unterweisung« wünschen, lieferte die »Brigitte« 1980 mit einer Studie, der das Management entnahm, dass Frauen hauptsächlich Unterhaltung suchen.
Schlaffer: »Bei aller Modernität der Ansichten wird das Ewigweibliche immer auf eine Existenz an der Seite eines Mannes vorbereitet.« Aber trotz der intensiven Thematisierung von Liebe, seien Modezeitschriften dennoch kein Kamasutrum. Im Unterschied zur Thematisierung von Liebespraktiken in Männerzeitschriften fehle diese in Modezeitschriften ganz. Hingegen haben die Modezeitschriften in den vergangenen Jahrzehnten die »verdeckten lesbischen Neigungen der Frauen« genutzt, so Schlaffer.
Hildegard Suntinger

Exzerpt aus:
Schlaffer Hannelore (2007): Mode, Schule der Frauen. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main. S. 9-38

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