KI-generiertes Modedesign von Ope zur 1. AIFWNY 2023 (c) Ope

Schneller, höher, weiter – KI im Modedesign

Künstliche Intelligenz (KI) kann Prozesse im Modedesign beschleunigen und wird zweifellos Teil der angestrebten Digitalisierung von Wertschöpfungsketten sein. Aktuell ist die Euphorie groß, denn KI-Bildgeneratoren können schnell eindrucksvolle Bilder hervorbringen – und Modedesigns gleich in aufregenden Erlebniswelten darstellen. Aber es gibt auch Gegenstimmen, die sagen, dass es eher eine Entschleunigung des Modedesigns braucht und durchdachtere Designs, in denen auch Nachaltigkeitsaspekte mitgedacht werden. Dazu braucht es allerdings Kontextwissen, das der KI (noch?) fehlt. 

2019 sprach sich Alibaba-Chef Ma öffentlich für die Erneuerung des Bildungssystems aus. Man müsse Menschen Kreativität beibringen, da Computer zunehmend repetitive Tätigkeiten übernehmen werden. Damals dürfte er Robbie Barat noch nicht gekannt haben, ein Computer Nerd, der kurz zuvor einen KI-Bildgenerator entwickelt hatte. Er trainierte diesen mit Laufstegfotos des Labels Balenciaga und generierte daraus eine Kollektion, die erkennbar Balenciaga war, sich aber klar von den Designs unterschied, die in die Trainingsdaten eingegangen waren. Das Online-Medium SSense titelte: „Robbie Barrat macht den Computer zum Kreativdirektor.“ Barrat verwendete Generative KI – das sind Machine-Learning Algorithmen, die fähig sind, neue Inhalte zu kreieren. Trainiert man diese mit großen Mengen beispielhafter Daten, dann erkennen sie darin Muster und Strukturen und kreieren selbstständig neue Beispiele.

Seither hat die generative KI eine rasante Entwicklung genommen. Das Programm Midjourney wurde 2020 eingeführt und befindet sich nun schon in der fünften Generation. Gleichzeitig wurde die Konkurrenz inspiriert und ein Innovations-Wettrennen ausgelöst. Neben Midjourney gibt es mittlerweile also auch noch andere gängige Tools, wie etwa DALL-E 2 und Stable Diffusion. Allen gemeinsam ist die einfache Bedienbarkeit: Man muss einfach nur Begriffe (Prompts) eingeben, um diese mit einem Klick in Bilder zu verwandeln. Die Bilder sind beeindruckend cinematographisch – und stellen die Entwürfe gleich in Erlebniswelten dar – egal ob auf dem Laufsteg, in der Stadt oder in der Natur. 

Entwurf von Ope, die auf Platz drei der 1. AIFW New York 2023 gereiht wurde.

Neue Generation von Kreativen

Durch die Einfachheit der Bedienung ziehen die Tools  vor allem Laien an – technikaffine Laien! Ein Aspekt, auf den die Macher der 1. Artificial Intelligence Fashion Week (AIFW) im April 2023 in New York gesetzt haben. Die Initiatoren – die auf KI spezialisierte Werbeagentur Maison Metadie Kommunikationsagentur Spring Studios und der Mode-Onlinehändler Revolve – sehen in dem Tool eine große Chance für eine neue Generation von Kreativen – und einen alternativen Einstieg ins Modedesign, so Michael Mente, CEO von Revolve, gegenüber Vogue Business. Und weiter: Das neue Medium soll – gemeinsam mit einer unverstellten Perspektive – die Grenzen im Modedesign erweitern. 

Vorgabe war, dass die eingereichten Entwürfe realisierbar sind – und sich nicht auf Arbeiten anderer Designer beziehen. Dazu ist zu wissen, dass es noch keine Rechtsgrundlage für KI-generierten Content gibt. KI-Systeme werden mit vorhandenem Material trainiert – und reproduzieren und variieren im Internet Vorhandenes. Im Modebereich könnten die multimodalen Datenquellen auch auf früheren Werken anderer Designer basieren und das könnte zum Rechtsstreit führen.

AI-generiertes Modedesign aus der Kollektion 2021 von José Sobral / Paatiff (c) José Sobral / Paatiff
AI-generiertes Modedesign aus der Kollektion 2021 vom Sieger der 1. AIFW New York, José Sobral / Paatiff (c) José Sobral / Paatiff

Der Event wurde über einen Designwettbewerb ausgetragen, der weltweit 350 Teilnehmer anzog. Die Top 3 wurden von einer Jury ermittelt und deren Entwürfe vom Modehändler Revolve produziert und online verkauft. Auffallend: Die eingereichten Arbeiten waren tendenziell opulent und wirkten sphärisch und/oder skulptural. Eine Jury aus Modeexperten musste entscheiden, was tatsächlich umsetzbar ist und seine beeindruckende Wirkung auch in physischer Form behalten würde. Die ersten Plätze gingen schließlich an zwei Architekten. Sieger war José Sobral mit seinem label PaaTiff. Er sah in der AIFW eine tolle Möglichkeit, seine Interessen an Mode und Technologie zu verbinden. Sobral: „Es gibt keine spezielle Aufgabe im Modedesign, die nur KI erfüllen könnte, aber es erhöht die Produktivität und unterstützt die Kreativität“. 

Die Kunst des Prompting

Unter den Teilnehmenden war auch Verena King aus Stuttgart. Sie arbeitetet im Digital Design in der Automobilindustrie und nutzt Mode als Inspiration. King denkt, dass KI-Bildgeneratoren neue Impulse für die Modewelt in bisher ungeahntem Ausmaß setzen werden. Aber wolle man wirklich gute Ergebnisse, dann müsse der Umgang und die Interaktion mit KI-Tools auch erlernt werden. Denn insbesondere die Reihenfolge der Prompts entscheide, ob diese von der Maschine richtig interpretiert werden. „Ein neues Wort hinzugefügt oder an anderer Stelle platziert, kann zu einem ganz anderen Ergebnis führen. Hier die richtige Gewichtung zu finden und eine zusammenhängende Kollektion zu erstellen, kann eine Herausforderung sein,“ sagt sie – und nennt auch gleich ein Beispiel für einen Prompt: 

„fashionweek, blonde models wearing straight inspired long sleeve uniform with bags and transparent material details, embroidered details, mix of haute couture playful, transparent details, playful bags and accessories, geometric prints, pink orange, green, iceblue white black”

King glaubt, der Designer werde zu einer Art AI Creative Director werden, der verschiedene KI gestützte Tools orchestriert. „Auch unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz kann ein eigener Stil und eine eigene Handschrift entwickelt werden. Basis ist eine starke und originäre Vision, die mittels Prompt klar artikuliert werden muss“, so die Designerin.

AI-generiertes Modedesign aus der Kollektion 2024 von Verena King (c) Verena King / AI Fashionweek NY 2023
AI-generiertes Modedesign aus der Kollektion 2024 von Verena King (c) Verena King / AI Fashionweek NY 2023

Kontextwissen

Darüber hinaus spielt im AI-generierten Modedesign auch Kontextwissen eine Rolle. Und das nicht nur, wenn es um die Umsetzbarkeit der Entwürfe geht: Yoon Kyung Lee von der Pusan National University im südkoreanischen Busan, untersuchte in einer Studie, inwieweit sich KI-generiertes Design von menschgemachtem Design unterscheidet. Dabei zeigte sich, dass die Entwürfe ähnlich waren. Jedoch waren die von Menschen gemachten Entwürfe einzigartiger und origineller. Ein Fakt, den die Forscherin auf das Kontextwissen der Menschen zurückführte.

Aus der Technologie heraus gedacht

Laut Design AiDLab in Hong Kong kann KI den Ideenfindungsprozess um bis zu 70 Prozent beschleunigen – und Geschwindigkeit ist ein starkes Argument in der volatilen und schnelllebigen Modeindustrie. Univ.-Prof. Dr. Christiane Luible-Bär vom Institut für Fashion and Technology (F.A.T.) an der Kunstuniversität Linz sieht die aktuelle Entwicklung in der generativen KI dennoch kritisch. Sie wähnt ein Phänomen, das schon bei Smart Textiles, NFT und Blockchain zu beobachten war: Die Technologien seien aus der Technologie heraus gedacht worden – und nicht aus der Mode. Wobei sich der Hype rasch abgeschwächt habe. Darüber hinaus sei in einer Zeit der Echtzeitmode und des Überkonsums eher eine Entschleunigung von Trends und Prozessen wünschenswert.

Ihre Studenten am F.A.T. nutzen KI-Bildgeneratoren, um Bilder für Rechercheboards zu generieren und Konzepte zu schärfen. „Damit reduzieren sie Arbeitszeit, die sie zuvor bei der Recherche in Bibliothek und Internet verwendet haben“ so Luible-Bär. „Aber das sind noch keine fertigen Designvorschläge. Man muss im Modedesign visuelle Informationen mit einem Konzept zusammenfügen. Das ist ein komplexer Prozess, in dem es die menschliche Entscheidung braucht.“ 

Wiederverwertbarkeit mitdenken

Weiters könne man nicht davon ausgehen, unendlich neue Rohstoffe zur Verfügung zu haben. Weshalb vor allem weniger, langlebigere und kreislauffähige Kleidung konsumiert werden müsse – und in der Kreislaufwirtschaft sei die Wiederverwertbarkeit von Kleidung bereits im Design mitzudenken. Das mache den Designprozess noch komplexer – und gehe über die bloße Gestaltung hinaus. Sinnvoller fände Luible-Bär die KI im Nachgebrauchs-Szenarien einzusetzen: „Mit KI könnten Art, Material und Zustand der gebrauchten Kleider über ein Bilderkennungsprogramm laufen. Das würde es erleichtern, diese einer geeigneten Wiederverwertung zuzuführen. Bis dato muss das manuell erfolgen und das stellt die Rentabilität des Recycling in Frage.“

Hildegard Suntinger

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