Wien ist sicher nicht die klassische Modemetropole, erweist sich aber in der Transformation der Modeindustrie als guter Nährboden für zukunftsweisendes Modedesign. Hier ist man kritisch und kunstaffin – und die Modestudierenden haben sich schon früh mit konzeptionellem Modedesign auseinandergesetzt. Das wird zunehmend honoriert. Einen Überblick über herausragende und/oder neue Talente geben die jährlich abgehaltenen AFA Fashion Awards.
Wer eine Modekarriere anstrebt, muss hart arbeiten – und an sich glauben. Aber selbst dann ist es noch schwierig, weil es auch Geld und Infrastruktur für die Produktion und modeaffines Publikum für den Absatz braucht. Infrastruktur und modeaffines Publikum ist in Österreich kaum vorhanden. Dass es trotzdem eine interessante Modeszene gibt, liegt am starken Willen der Modedesigner – aber auch an den monetären Förderungen.
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Die öffentlichen Förderungen werden durch die Austrian Fashion Association (AFA) realisiert. Wobei zum einen einzelne Projekte gefördert werden und zum anderen herausragende Arbeiten in Form von Geldpreisen. Die Vergabe der Preise erfolgt durch eine international besetzte, unabhängige Fachjury. Die diesjährigen AFA Fashion Awards wurden am 28. November 2023 im Reaktor, 1170 Geblergasse verliehen.
Deadstock und raumgreifende Silhouetten
Der Modepreis der Stadt Wien ging an Christoph Rumpf – ein Talent, das schon ganz früh auf sich aufmerksam machte. Er war noch Student in der Modeklasse der Universität für Angewandte Kunst in Wien, als er 2019 den renommierten internationalen Preis für Mode, Accessoires und Fotografie in Hyères in Frankreich gewann – in der Kategorie „Grand Prix de Jury Première Vision“. Ausgerechnet den Preis der Première Vision – einer renommierten Stoff-Fachmesse in Paris. Denn die Kollektion, die er in Hyères präsentierte, bestand im Wesentlichen aus Deadstock und Fundstücken vom Flohmarkt …
Es war eine Herrenkollektion und Rumpf verwendete edle Materialien wie Brokat und Seide – und einen Perserteppich. In Verbindung mit raumgreifenden Silhouetten – überzeichneten Schultern und Kragen – erschienen seine Kreationen majestätisch. Vor dem Hintergrund von Neoliberalismus und Nachhaltigkeitskrise ein sensibler Kommentar zum Zeitgeschehen: Eine Generation, die die Konsequenzen einer von überkommenen Machtstrukturen verzerrten Realität tragen muss, fordert ihre Würde ein.
Zwischen Jugendkultur und Luxus
Rumpf graduierte 2020 und gründete im Jahr darauf sein gleichnamiges Label in Paris. Heute positioniert er sich an der Schnittstelle von Jugendkultur und High-End-Luxury. Das Prinzip, Deadstock und Fundstücke vom Flohmarkt mit neuen Stoffen zu kombinieren, hat er beibehalten, um so ein Spannungsfeld zwischen Tradition und Experiment zu schaffen. Der Modepreis der Stadt Wien, der mit 10.000 € dotiert ist, gibt ihm nun die Möglichkeit, sein Label weiterzuentwickeln.

Folkloristisches im zeitgenössischen Kontext
Auch der Outstanding Artist Award des BMKOES ist mit 10.000 Euro dotiert. Gewinner war das Label Rosa Mosa, das 2001 von Simone Springer und Yuji Mizobuchi gegründet wurde und seinen Sitz in Wien hat. Springer hat an der Akademie der Bildenden Künste in Wien studiert und Mizobuchi Buddhistische Philosophie an der Universität Kyoto. Kennengelernt haben sich die beiden in der Klasse für Schuh- und Accessoire-Design am traditionellen Cordwainers College in London. In ihrem Label entdecken sie traditionelle Handwerkstechniken neu. So haben sie etwa eine Technik entwickelt, mit der sie Blaudruck auf Leder drucken können. Bekannt geworden ist das Label Rosa Mosa mit klobigen Schuhen – Clogs, Boots und Schnürer – die in ihrer offensichtlichen Konstruktion Assoziationen an den Brutalismus in der Architektur wecken.
Heimmarkt Österreich
Gleichzeitig ist Rosa Mosa eines der wenigen österreichischen Labels, die es schaffen, ihre Produkte auch in Österreich zu verkaufen. So fanden Produkte wie Kaisersemmel (ein semmelförmiges Portemonnaie) auch Eingang in Museumsshops. Seit der Pandemie haben Springer und Mizobuchi auch einen eigenen Store in 1040 Schleifmühlgasse. Der Preis des BMKOES würdigt den innovativen und richtungsweisenden Ansatz des Labels, der zur Weiterentwicklung des zeitgenössischen Modeschaffens und des Diskurses in Österreich und darüber hinaus leistet, so die Information auf der AFA Website.

Die Gewinner seit 2014 …
… geben einen guten Überblick über die österreichische Modeszene. Wobei mehr als die Hälfte der Gewinner des Modepreises der Stadt Wien ihren Sitz außerhalb Österreichs haben. Zum Beispiel lebt Matthias Winkler, der Gewinner des Modepreises der Stadt Wien 2022 in Berlin, Kenneth Ize, der Gewinner 2019, in Lagos. Oft bleiben die jungen Kreativen am Ort ihrer Ausbildung. Wie etwa Flora Miranda, die die Royal Academy of fine Arts in Antwerpen absolvierte und dort auch ihr Label gründete. Andere wiederum arbeiten im Design Department von großen Konzernen. Inga Nemirovskaia, die den Outstanding Artist Award 2016 gewann, hat schon bei Haider Ackermann, Ann Demeulemeester und AZ Factory gearbeitet. Derzeit ist sie bei Alpha Tauri.
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Ob man auch mit Sitz in Wien ein international erfolgreiches Label betreiben kann, war lange nicht klar. Eine, die es beweist, ist Christina Seewald, die ihr Studium am Central Saint Martins College in London absolviert hat und seither ihren Sitz in Wien hat. Einfach, weil das Leben in Wien im Vergleich zu London leistbar ist. Von hier aus beliefert sie Stores wie Voo Store in Berlin oder Antonioli in Mailand. Sie arbeitet übrigens gerade an einer Handtasche, wie sie am Rande der AFA Fashion Awards 2023 verriet.
Modepreis der Stadt Wien:
2023: Christoph Rumpf / Paris
2022: Matthias Winkler / Berlin
2021: Jojo Gronostay / Paris
2020: Christina Seewald / Wien
2019: Kenneth Ize / Paris
2018: Jana Wieland / Wien
2017: Markus Wernitznig / Paris
2016: Flora Miranda / Antwerpen
2015: Marina Hoermanseder / Berlin
2014: Rani Bageria / Wien
Outstanding Artist Award für experimentelles Modedesign:
2023: Rosa Mosa / Wien
2022: Wiener Traditionsmanufaktur Mühlbauer / Wien
2021: Petar Petrov / Wien
2020: Susanne Bisovsky / Wien
2019: House of the Very Islands / Wien
2018: Arthur Arbesser / Mailand
2017: Wendy & Jim / Wien
2016: Marie Oberkönig / Berlin
2015: Jackie W. Lee / Berlin
2014: Inga Nemirovskaia / Österreich
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