Am Abend des 5. September ist Gustav Klimts berühmtes Gemälde ‚der Kuss‘ zu neuem Leben erwacht: die ikonischen Muster in Goldtönen waren in einer Modeschau im Kammergartens des Schloss Belvedere zu sehen. Kreateur war der südkoreanische Stardesigner Lie Sangbong. Er ist bekannt für seine Fähigkeit, traditionelle Inspirationen mit innovativen Mitteln umzusetzen.
Dieser Artikel erschien am 11.09.2023 in Textil Zeitung
Die Kollektion wurde anlässlich des Fundraising Dinners zum 300. Geburtstag der barocken Schlossanlage Belvedere präsentiert. Das Ölgemälde, das 1907 entstand, ist im Besitz des Museum Belvedere – und war schon 2022 Gegenstand einer spektakulären Kampagne: Es wurde virtuell in 10.000 einzelne Teile zerlegt und in Form von NFTs (Non Fungible Tokens) angeboten. Die Idee zur Modekollektion entstand bei der Präsentation des NFT-Projekts in Seoul, wo das Team des Museum Belvedere den südkoreanischen Stardesigner Lie Sangbong kennenlernte.
Ostasiatisch inspiriert
Gustav Klimt zählt zu den größten Künstlern der Jugendstils. Er hat eine große Fangemeinde in Südkorea, wie nicht zuletzt die hohen Besucherzahlen im Museum Belvedere belegen. Klimt war ostasiatisch inspiriert und schrieb in seinen Gemälden auch mit koreanischen Schriftzeichen (Hangeul).
Der Jugendstil-Maler (1862-1918) und Lie (68) haben etwas gemeinsam: Lie Sangbong erlangte in Korea mit der Interpretation der nationalen Schriftzeichen Berühmtheit, als er in einer populären TV-Produktion auftrat. Eben diese Schriftzeichen verwendete er auch in den Motiven seiner aktuellen Klimt-Kollektion.
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Lie ist bekannt für seine Fähigkeit, traditionelle Inspirationen mit innovativen Mitteln umzusetzen. So kombiniert er zum Beispiel Stickerei mit Lasercutting und Digitaldruck. Das ikonische Flair des Ölgemäldes der Kuss vermittelte er unter anderem mit brillanter Drucktechnik von Epson, die nicht nur die verschiedenen Goldtöne sondern auch deren Glanz und Schimmer zur Wirkung brachte.
Globale Reichweite
Der Modedesigner gründete sein Label 1985 und ist in seiner Heimat eine einflussreiche Persönlichkeit. Hier hat er 20 Stores und ist Leiter der nationalen Designervereinigung (CFDK). Mit seinem dynamischen Stil und intensiven Farben – er liebt rot und violett – konnte er aber auch die europäische Modemetropole Paris erobern, in der er zwölf Jahre lang präsentierte. Als 2012 eine neue Welle asiatischer Modedesigner die amerikanischen Laufstege eroberte, verlagerte er seine Aktivitäten nach New York, wo er seither auch einen Flagship Store hat.
Lie kleidet First Ladies ebenso wie Schauspielerinnen und Popstars. Unter anderem waren schon Lady Gaga, Beyoncé und Juliette Binoche in seinen Kreationen zu sehen. Die Modelle der Klimt-Kollektion würde er indes am liebsten an Christine Lagarde sehen, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Er lernte sie in seiner Zeit in Paris kennen und ist seither gut mir ihr befreundet.
Respekt vor der Kunst
Lie weiß auch zu überraschen. So spielt er Ping Pong und würdigt auf seinem Instagram-Account den Fußballspieler Messie. Als wir ihn vor der Show im Belvedere zum exklusiven Interview treffen, sagt er, dass die Art wie Messie Fußball spiele, auch eine Form von Kunst sei. Der Fußballstar habe eine ähnliche Bedeutung für ihn, wie Klimt.
In Wien zu präsentieren, mache ihn etwas nervös, weil die Stadt – im Vergleich zu anderen Städten – große historische Persönlichkeiten habe. Damit meint er nicht nur Künstler wie Klimt und Schiele, sondern auch Musiker und Architekten. Lie im O-Ton:
Sie kreieren immer Geschichten zu ihren Kollektionen. Welche Geschichte hat ihre Klimt-Kollektion?
Ich referiere in den Motiven auf die Covid-Zeit, die eine Distanz zwischen den Menschen geschaffen hat – sogar zwischen Eheleuten wurde Maske getragen. Darunter hat die Menschlichkeit gelitten und jetzt ist es Zeit, diese wieder herzustellen. Der Kuss zeigt das Einswerden von Mann und Frau und ich habe diese Idee in einem Print realisiert, in dem ich die Geschlechter in Schwarz und Weiß unterschieden und getrennt abgebildet habe.
Welche Textiltechniken haben sie in der Klimt-Kollektion angewendet?
Klimts Gemälde haben sehr viele Designelemente in sich – u.a. durch die Muster. Aber Mode kann nur in der Zeit existieren und deshalb liegt das Zeitgenössische der Kollektion vor allem in den modernen Schnitten und der Interpretation der Muster. Ich wollte neben dem zweidimensionalen Druck auch Dreidimensionales schaffen. Deshalb habe ich die Prints mit Webpelz, erhabenen Webstrukturen, Applikationen und Stickereien kombiniert.
Alle Drucke sind exklusiv im Haus und im Digitalprint entstanden?
Ja, ich habe von Anfang an Epson Digitaldrucker verwendet, weil die Geräte technisch präzise sind. Aber worum es mir eigentlich geht, ist die Umweltverträglichkeit. Ich war lange Zeit Umweltbotschafter in Korea und Epson ist ein Vorreiter in Fragen der Ökologie. Die Geräte ermöglichen die lokale Produktion im Haus und haben einen vergleichsweise geringen Verbrauch von zum Beispiel Wasser.
Wo gibt es die Kollektion zu kaufen?
Durch die Covid-Krise konnten wir zuletzt nicht ins Ausland reisen. Aber in Korea wurde die Kollektion schon im März zur Seoul Fashion Week präsentiert und ist bereits im Handel erhältlich. Sehr gut verkaufen sich die genderneutralen Teile, das liegt in Korea gerade im Trend. Das heißt, wir verkaufen Dinge, die als Männerkleidung entworfen wurden, auch an Frauen. Wie zum Beispiel Hemd, Weste und Sakko.
Gestern und heute auf dem Weg hierher, habe ich sehr viele koreanische Touristen gesehen. Sie erleben hier die österreichische Kultur, sehen Klimts Gemälde im Belvedere und werden diese Begegnung in Korea weitertragen. Für Koreaner ist Klimt nicht nur ein allgemein bekannter Künstler, sondern wie ein Freund, an dessen Leben man teilhaben kann.
Anmerkung HS: Die Kollektion ist auf Anfrage bei Lie Sangbong erhältlich.
Danke für das Gespräch.
Lie war übrigens erstmals vor elf Jahren in Wien. Damals feierten Österreich und Korea den 50. Geburtstag ihrer diplomatischen Beziehungen und Lie präsentierte seine Kollektion in der Hofburg. Vor seiner Rückkehr nach Südkorea kaufte er sich in der Innenstadt eine Trachtenweste. Als er jetzt sah, dass dieses Geschäft immer noch da war, hat ihn das angenehm überrascht. Zitat: „Das ist die Tradition, die die Wiener bis heute bewahrt haben. In anderen Städten, wie Paris oder London, ist diese Art traditionelle Kleidung längst verschwunden“.
Die Visitenkarte des Modedesigners ist ein handschriftlich bedrucktes Kuvert, in dessen Innerem sich der Text Finde dein Glück findet. Er hat sie ganz am Anfang seiner Karriere entworfen und unverändert beibehalten, um sich die Aufregung und die Nervosität dieser Zeit zu bewahren.
Hildegard Suntinger
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