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Der Digitale Produktpass (DPP) ermöglicht nachhaltigen Konsum

Werden Konsumierende nachhaltiger konsumieren, wenn sie den CO2-Fußabdruck von Produkten in ihre Kaufentscheidung einbeziehen können? Der Digitale Produktpass wird es zeigen. Er soll Datentransparenz über den gesamten Lebenszyklus von Produkten schaffen. Das hilft nicht nur Endverbrauchern, sondern allen, die am Lebenszyklus des Produkts beteiligt sind. So ermöglichen etwa Angaben zu den Materialkomponenten die Entscheidung für ein geeignetes Recyclingverfahren.

Foto oben: Baumwollfeld (c) Emma Dau (Unsplash)

Der Digitale Produktpass ist eine Maßnahme der EU und soll den Weg in die Kreislaufwirtschaft bereiten. Idee ist es, die Umweltleistung von Produkten zu verbessern und funktionierende Kreisläufe zu schaffen – egal, ob es sich um Reifen, Stahl oder Textilien handelt. Unter Umweltleistung versteht man den CO2-Fußabdruck, der sich etwa aus Materialtypen und deren Herkunft sowie den Transportwegen und der Recycle-Fähigkeit ergibt.

Vorstellbar anhand eines T-Shirts, dessen Faser etwa von einem indischen Baumwollfeld stammen könnte. Die Lieferkette des T-Shirts führt vom Rohmaterial über Garn und Gewebe zum Bekleidungsproduzenten und den Handel bis hin zum Nutzenden und ins Recycling. Ein T-Shirt, das in Fernost produziert wird, hat einen anderen CO2-Fußabdruck, als eines das lokal produziert wird. Somit bietet der Digitale Produktpass einen indirekten Anreiz für Hersteller, nachhaltig zu produzieren.

Standards und Technologie-Bausteine

Verschiedene Produktgruppen haben unterschiedliche Lieferketten und Nutzungs-Szenarien. Zur inhaltlichen Steuerung hat die EU jeweils verschiedene delegierte Rechtsakte geschaffen. Diese ermöglichen es, bestehende Gesetzgebungsakte, etwa hinsichtlich technischer oder wissenschaftlicher Entwicklungen zu ändern oder ergänzen.

Der erste Digitale Produktpass sollen schon in ein bis zwei Jahren erscheinen. Aber Organisation und Technik gilt es im deutsch-/österreichischen Leuchtturmprojekt PASSAT noch zu erforschen. Das Projekt wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) sowie in Deutschland durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Projektträger (DLR-PT) gefördert.

Projektkoordinator ist das AIT Austrian Institute of TechnologyMario Drobics, Leiter der Unit für Cooperative Digital Technologies am AIT, erklärt, dass gemeinsame Standards und Technologie-Bausteine zentral für die einfache Umsetzung des digitalen Produktpasses sind. Deshalb betrachten die Forschenden mehrere Produktgruppen, wie etwa Textilien, Elektronik-Komponenten und Skier. Aus deren unterschiedlichen Anforderungen leiten sie dann eine gemeinsame Architektur ab, die leicht auf andere Produktgruppen übertragbar ist. 

Datenaustausch in Ökosystemen

Der Digitale Produktpass soll mit den darin enthaltenen Daten nicht nur Konsumierende informieren, sondern etwa auch Einkaufsabteilungen und Wartungs- und Reparaturdienste sowie Recycling-Betriebe. Um alle Teilhaber entlang des Lebenszyklus in den Datenaustausch zu integrieren, kommen Datenökosysteme wie Gaia X zum Einsatz. Das System kann spezifische Nutzergruppen identifizieren und sensible Daten schützen. Letzteres basiert auf modularen Diensten mit getrennter Datenverarbeitung und -speicherung. Die Hersteller stehen auch im Wettbewerb zueinander. Nicht jede Information will mit jedem geteilt werden. Den einzelnen Nutzergruppen werden jeweils nur die gerade notwendigen Daten angezeigt.

Damit der digitale Produktpass tatsächlich zu nachhaltigen Produkten, Geschäftsmodellen und Kaufentscheidungen führt, müssen alle daran teilnehmen können. Deshalb entwickeln die Forschenden Open-Source Tools, welche die Umsetzung insbesondere für Kleinere und Mittlere Unternehmen (KMU) vereinfacht. Unterstützung kommt von Projektpartnern aus der Wirtschaft. Mit im Team sind Löffler und Atomic, zwei Vertreter der Sport- und Ski-Industrie sowie das Start-up Silana. Letzteres hat eine Lösung gefunden, den digitalen Produktpass in die Naht von Kleidungsstücken einzuarbeiten. Für Konsumierende wird ergänzend ein QR-Code bereitgestellt, der einen unkomplizierten Zugriff auf die Daten ermöglicht.

Lexikon

Der digitale Produktpass (DPP): Teil der EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR), in der Mindestanforderungen an das Produktdesign festgelegt werden, um die Umweltwirkungen von Produkten über deren gesamten Lebenszyklus zu mindern.

Gaia-X: Eine europäische Dateninfrastruktur zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ziel ist es, den Zugang zu Daten und Cloud-Diensten zu erleichtern und die Abhängigkeit von außereuropäischen IT-Großanbietern zu verringern.

Hildegard Suntinger

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