Textilbeton

Textilbeton – nachhaltige Alternative zu Stahlbeton

Stahlbeton ist einer der wichtigsten Baustoffe für Wohnbau und Infrastruktur. In der Nachhaltigkeitskrise ist der Werkstoff jedoch in Verruf geraten. Denn die Produktion setzt große Mengen an Kohlendioxid frei und das hat gravierende Folgen für das Klima. In der ehemaligen Textilhochburg Vorarlberg hat das Start-up Basalt+ eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt: Textilbeton!

Foto oben: Von R. Thyroff – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28610711

Bei Stahlbeton integriert man gitterförmige Stahlmatten in Betonbauteile, um die mangelhafte Zugfestigkeit des Werkstoffs auszugleichen. Den Witterungseinflüssen ausgesetzt, beginnt der Stahl im Betoninneren jedoch unweigerlich zu rosten. Wobei die Korrosion lediglich verlangsamt werden könne, indem man den Stahl mit einer bis zu 12 cm dicken Betonschicht überdeckt, erklärt Günter Grabher, Seriengründer und Co-GF der Lustenauer Basalt+ GmbH. Das ist insofern ein Problem, als der Bedarf an Beton weltweit steigt und der Baustoff aufgrund seines Herstellungsverfahrens der größte Einzelverursacher von CO2 ist – darüber herrscht Konsens.

Grabher begann schon 2012 im auf Textilveredlung spezialisierten Forschungsunternehmen V-Trion an wesentlich umweltfreundlicherem Textilbeton zu forschen. Die außeruniversitäre und gemeinnützige Plattform ist auch Trägerorganisation der Plattform Smart Textiles Austria des Klimaschutzministeriums (BMK) und verfolgt die Mission, zukunftsorientierte Anwendungen aus traditionellen österreichischen Technologien zu entwickeln. So basiert der unlängst zur Marktreife gebrachte Textilbeton auf einer traditionellen Stickerei-Technologie, die in Vorarlberg noch gut verankert ist, dem sogenannten Tailored Fiber Placement

Schlankere Bauteile durch rostfreie Bewehrung 

Forschungsansatz war es, die gitterförmige Stahlbewehrung durch eine rostfreie Textilfaser zu ersetzen – um den Betonverbrauch zu verringern und den Lebenszyklus von Bauteilen zu verlängern. Wobei sich die Forschenden zunächst auf leichtes und widerstandsfähiges Carbon konzentrierten. Im Tailored Fiber Placement kann die Carbonfaser exakt in eine vorab berechnete Kontur gelegt – und nach dem Stickprozess mit einem biogenen Harz infiltriert werden. Auf der zehn Meter langen Stickerei-Anlage kann die Struktur flach produziert und anschließend durch Biegen und/oder Knicken in die gewünschte dreidimensionale Form gebracht werden. So kann es dann in der Schalung eingesetzt werden, die anschließend mit Beton gefüllt wird.

Mit der rostfreien Faser konnte die Betonmenge – und damit der herstellungsbedingte CO2-Ausstoß – um bis zu zwei Drittel reduziert werden. Willkommener Nebeneffekt war die Gewichtsreduktion, die Textilbeton u.a. zu einem idealen Werkstoff für die Brückensanierung macht. „Alte Stahlbetonbrücken vertragen aufgrund ihrer Statik oft kein zusätzliches Gewicht und können mit herkömmlichen Maßnahmen nicht mehr saniert werden“, erklärt Grabher. 2022 wurde der carbonbasierte Textilbeton erstmals angewendet und die Brücke über den Krumbach in Damüls in Vorarlberg zur ersten mit Textilbeton sanierten Brücke Österreichs. In den 1980er-Jahren errichtet, soll sie nun noch weitere 50 Jahre halten. 

Lokal gesourct und 100% recyclingfähig

Das Forschungsziel war erreicht, aber das Projekt wurde schließlich von den aktuellen Vorgaben der Europäischen Union eingeholt, die 100% rezyklierbare Baustoffe forderten. Das ist bei Carbon nicht der Fall. Deshalb verlagerte V-Trion die Forschung auf die Weiterentwicklung der Basaltfaser, die nicht nur voll recyclingfähig ist, sondern auch aus lokalem Gestein gesourct werden kann. Um das Projekt zur Marktreife zu bringen, kam es zu einer Ausgründung und einem Joint Venture der Wiener REN Innovation Invest GmbH und der Grabher Group. Als neuartige Bewehrung, erfordert die Basaltfaser eine abgeänderte Betonformel mit besseren Fließeigenschaften. Weshalb man 2023 in einer Kollaboration mit dem Forschungsbereich Stahlbeton- und Massivbau an der Technischen Universität Wien die Grundlagen für eine europaweit gültige Zulassung für einen basaltbewehrten Betonbauteil erarbeitete. 

Eine erste Anwendung der Innovation soll in Bregenz in Betrieb genommen werden. Dort hat die doma vkw – die für Solartechnik zuständige Tochter der Vorarlberger Kraftwerke – eine E-Ladestation errichtet, die aus Basaltbeton-Säulen und Holzüberdachung besteht. Das Dach ist mit Solarpanelen bedeckt, die einen Teil des Stroms liefern. Das Objekt wird dieser Tage eröffnet. 

Textilbeton

Foto: Textilbeton ist nicht nur nachhaltiger, sondern ermöglicht auch schlankere Bauteile. Visualisierung E-Ladepark Bregenz 2024 (c) doma vkw und basalt+

Eine weitere Anwendung soll in Kooperation mit einem privaten deutschen Wohnungsunternehmen umgesetzt werden. Über den ökologischen Aspekt hinaus, ermöglicht die basaltbasierte Bewehrung schlankere Bauteile und das könnte im Wohnungsbau ein enormes Einsparungspotenzial an Fläche ergeben, die sonst teuer gekauft werden müsste. 

Beton in Zahlen

4 Mrd. Tonnen Beton werden jährlich weltweit erzeugt. Die Produktion setzt große Mengen an Kohlendioxid frei und das hat gravierende Folgen für das Klima.

8% der globalen CO2-Emissionen entstehen durch die Zementproduktion – dem wichtigsten Bestandteil von Beton. Hauptquelle für den CO2-Ausstoß ist das Kalzinieren – die Erhitzung von Kalkstein und Ton. Quelle: Call for Justice

Hildegard Suntinger

Hinterlasse einen Kommentar