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Modus Vivendi: Neuer Modus im Domus

Das Modelabel Modus Vivendi wurde Ende der 1980er-Jahre in Wien gegründet. Nach einem unschönen Mietmobbing 2017 und einer Interimslösung, haben die drei Gründerinnen in der Westbahnstraße 5 ein neues Ateliergeschäft gefunden. Jetzt herrscht Aufbruchsstimmung: Im März haben sie ihre Keypieces erstmals im AFA DACH-Showroom in Paris präsentiert und ab September wird dann zwischen Atelier und Geschäft unterschieden – auch wenn dabei nur zwei Buchstaben vertauscht werden: Das Geschäft wird unter dem Namen Domus Vivendi laufen und neue Labels nach Wien bringen.

Die Co-Gründerin Monika Bacher im Interview:

Was geht dir durch den Sinn, wenn du an die Anfänge von Modus Vivendi zurückdenkst?

Die Atmosphäre in Wien und der Umgang mit Mode. Es gab damals noch kaum Auswahl, nur Schöps, Kleiderbauer, Herzmansky und eine Hand voll spannender Wiener Designer. Über die Avantgardemodemessen U-Mode und Offline entwickelte sich eine sehr spannende Szene mit Labels wie Marcela Hernandez, Machu Picchu und eben auch uns. Am Anfang nannten wir uns noch Modewerkstatt und waren auf Strick spezialisiert. Wir hatten ein Ateliergeschäft in der Schadekgasse und arbeiteten oberhalb des Verkaufsraums – wie das schon vor hundert Jahren gemacht wurde. In den 1980er- und 1990er-Jahren war das Schneiderhandwerk allerdings nicht besonders positiv konnotiert. Deshalb haben wir versucht, möglichst wie ein Geschäft mit Stangenware auszusehen, indem wir mehrere gleiche Teile gemacht haben. Damals ist man in die Schneiderei gegangen, wenn man etwas wollte, das man sich sonst nicht leisten konnte. Wenn jemandem unsere Sachen zu teuer waren, haben wir gehört: Dann kann ich es ja in einem normalen Geschäft auch kaufen. Das war damals die Realität.

Ihr seid zu dritt – wie ist die Aufgabenverteilung – was sind die Vorteile – was die Herausforderungen?

Teilweise lagern wir auch in Lohnwerkstätten aus – aber im Wesentlichen arbeiten wir zu dritt. Das ist unsere Stärke und einer der wesentlichen Gründe warum es uns noch immer gibt. Charlotte ist für die Strickproduktion zuständig und für die Buchhaltung, Vera macht die Schnitte und die Website und ich das Design, den Zuschnitt, die Fertigung und Soziale Medien. Dieser Tanz zu dritt ist angenehm. Die Aufteilung funktioniert so gut, dass es eigentlich keine Streitereien gibt – und wenn wir einmal nicht einer Meinung sind, dann ist das befruchtend.

Zum einen ist es angenehm zu dritt zu sein und zum anderen müssen aber auch drei davon leben?

Ja das ist natürlich eine Herausforderung. Aber wir haben einen sehr unkonventionellen Zugang. Bei uns bringt jede das ein, was sie am liebsten macht und einfach gut kann. Finanziell haben wir das so geregelt, dass diejenige, die gerade mehr braucht, sich temporär auch mehr herausnehmen kann. Das war jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Wenn alle drei immer die gleiche finanzielle Situation gehabt hätten, wäre das nicht machbar gewesen. Das war aber zum Glück nicht der Fall.

Welche Modeausbildungen habt ihr gemacht?

Charlotte hat die Strickklasse an der Modeschule Hetzendorf gemacht und Vera und ich das Modekolleg in Michelbeuern. Wobei ich zuvor schon das Kolleg für Textiltechnik und Textilmechanik in der HTL Spengergasse abgeschlossen hatte. Mein Hintergrund ist also sehr technisch. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich schon wusste, in welche Richtung ich gehen will. Ich hatte damals auch ein Gespräch in der Modeklasse der Angewandten, war aber enttäuscht, als ich erfuhr, dass man dort nicht Schnittzeichnen und Nähen lernt. Im Rückblick war das war die Arroganz der Jugend. Mittlerweile würde ich das anders machen und hätte gern auch eine Designausbildung gehabt. Im eigenen Geschäft haben wir dann die Bedürfnisse der Kunden kennengelernt, die aus ihrer täglichen Realität kommen. So hat es sich ergeben, dass wir uns am liebsten um den Alltag kümmern und um eine urbane Ruralität – wenn man das so sagen kann.

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Rurale Urbanität (c) Die Ida

Wenn du morgens ins Geschäft und Atelier gehst – was hat sich an deiner Motivation verändert – im Vergleich zu den Anfängen?

Ich habe unlängst den Spruch Ideen brauchen Raum gelesen und das ist hier jetzt wieder gegeben. Unser Geschäft in der Schadekgasse war zwar wahnsinnig schön, aber nicht groß. Zu dritt und mit den Geräten und Materialien war das nicht einfach. Nach dem Mietmobbing hatten wir ein noch kleineres und engeres Geschäft und das Atelier war in einem separaten Raum. Hier im neuen Domus haben wir 200 Quadratmeter Fläche und ich komme morgens wieder sehr gerne her. Ich finde es aufregend und habe das Gefühl, dass hier Neues entstehen wird. Verstärkt durch die Coronakrise, die gerade vieles verändert. Wobei das auch etwas verunsichernd ist, weil es noch nicht da ist. Aber es überwiegt ein positives Gefühl.

Und in welche Richtung denkst du, wird es gehen?  

Mittlerweile wird das Handwerk mit großem Respekt und Staunen betrachtet. In unserer Generation gab es noch textiles Werken in der Schule – zumindest für die Mädchen. Viele junge Menschen hatten das nicht mehr und wissen nicht, wie das funktioniert. Wir haben den Zuschneidetisch im Verkaufsraum und können hier zeigen, wie unsere Stücke entstehen. Das macht Freude. Der Wandel wird sich aber nicht über Nacht vollziehen. Es wird noch dauern, bis das alles verstanden wird, weil es ja auch mit finanziellen Zugeständnissen verbunden ist. Wir haben uns selbst jahrelang in die eigene Tasche gelogen, indem wir gesagt haben: Es macht uns ja Spaß  und wenn wir jetzt noch ein Stück machen, dann geht es ja schneller. Weil wir uns nicht getraut haben, den Preis so zu kalkulieren, wie es zum Beispiel ein Installateur ganz selbstverständlich macht. Aber wir müssen uns einfach eingestehen, dass wir nicht mit den Preisen der großen Konzerne konkurrieren können, die mit enorm hohen Stückzahlen arbeiten. Wir können kein Kleid um 90 Euro machen, das geht sich nicht aus mit unseren Ansprüchen an das Material, der Herkunft des Materials und wie wir es verarbeiten. Natürlich versuchen wir den besten Preis anzubieten, aber immer innerhalb unserer Qualitätskriterien. Wenn man etwas handwerklich Gefertigtes kauft, muss es einem das wert sein, das ist schon klar.

Modus Vivendi, Domus Vivendi
Domus Vivendi (c) Monika Bacher

Die Kunden sind verbildet von Diskontern die das Gefühl vermitteln, dass das alles nichts kostet.

Ja und das ist nicht nur in der Mode so, sondern egal wohin man schaut, ob es jetzt Möbel sind, oder Lebensmittel. Die Kluft wird immer größer.

Wenn es um die Kollektion Modus Vivendi geht – war das eine kontinuierliche Weiterentwicklung oder gab es bestimmte Wendepunkte? 

Eigentlich beides, aber grundsätzlich war es schon eine kontinuierliche Weiterentwicklung, weil wir die beliebtesten Teile immer wieder neu interpretiert haben. Zum Beispiel unsere Schlaghosen aus Denim, die Sarouelhose, der Overall, eine gewisse Art Kleider und der melierte Strick. Gleichzeitig sind auch immer wieder ganz neue Teile entstanden. Jedes Unternehmen bekommt mit der Zeit einen gewissen Geist, eine DNA und es geht darum, diese zu erspüren.

Wie würdest du euren Stil beschreiben?

Das klingt etwas komisch, aber es ist eine alltagsbezogene Kollektion – im Gegensatz zur Anlassmode. Die Idee ist es in der Früh aufzustehen und in etwas reinzuschlüpfen, in dem man sich genauso wohlfühlt, wie in der Nacht unter der Steppdecke. Eine Art Bekleidung als Heimat, mit der man sich dann durch den Tag bewegt. Manche Berufsgruppen werden jetzt sagen: Bei mir geht das so nicht. Aber mittlerweile haben wir für die meisten etwas dabei. Dinge, die auch für den abendlichen Restaurantbesuch abwandelbar sind. Aber Cocktailkleid oder Opernballrobe war nie unser Thema. Wir haben es zwar immer wieder gemacht, aber gemerkt, dass es einfach nicht unsere Stärke ist und eigentlich auch nicht unser Bedürfnis. 

Modus Vivendi, Domus Vivendi, Mode, Modedesign
Melierter Strick (c) Die Ida

Schon bevor es Soziale Medien gab, ward ihr gut vernetzt, wie habt ihr das gemacht?

Das ging einerseits über das Geschäft in der Schadekgasse, das an einem wirklich schönen und speziellen Standort war und viele Leute reingelockt hat. Aber in den 1990er-Jahren haben wir auch immer wieder Happenings gemacht. Das waren Kollektionspräsentationen mit einer Art Vernissage, die wir im Geschäft veranstaltet haben. Mit der Zeit ist das etwas ausgeartet und ging bis zur After Hour. Auch viele Leute aus der Modeszene sind gekommen und wir konnten uns gut vernetzen. Marketing war damals noch sehr analog. Wir haben Adressen gesammelt und immer wieder Aussendungen gemacht. Das war sehr aufwändig, weil Fotografen, Grafiker und Digitaldruck am Entstehungsprozess beteiligt waren. Aber so hat man damals eben kommuniziert. Anfang der Nullerjahre haben wir dann mit E-Mails begonnen und das wurde mehr und mehr. Mittlerweile ist es schon wieder cool, Karten zu versenden, und wir machen das jetzt auch wieder.

Als ihr 2017 aus dem Lokal in der Schadekgasse ausziehen musstet, war das ein Schock und unvorstellbar. Wie hat sich dieses Ereignis  auf eure Arbeit und eure Kunden ausgewirkt?

Wir haben uns schon vor dem Mietmobbing die Frage gestellt, wie es mit der Modeszene in Wien weitergehen wird – und wie es mit uns weitergehen soll. Dabei wurden wir dann abrupt unterbrochen. In unserem Interimslokal in der Westbahnstraße 7 versuchten wir dann unsere Kunden umzulenken und das war schwieriger als wir dachten. Weil wir gemerkt haben, dass nicht alle über die Sozialen Medien und E-Mail erreichbar sind. Wir waren zwar nur ein paar hundert Meter vom alten Standort entfernt, aber für viele ist das eine andere Welt, in die sie nie kommen. Im Rückblick war es eine Übergangszeit, in der wir die Kollektion reduziert und mit den neuesten Materialien und Farben modifiziert haben. Im Siebten war aber auch das Leben ein anderes als im Sechsten. Andere Dinge waren angesagt und darauf mussten wir reagieren.      

Neue Farben und Garne (c) die Ida

Gefärbt durch die nähere Umgebung?

Im Sechsten ist es vielleicht sogar etwas rauer gewesen. Es gibt dort viele Künstler und Architekten, die schon sehr gut zu uns gepasst haben. Aber wir hatten dort natürlich auch mehr Geschichte. Im Siebten müssen wir unser Produkt noch besser verständlich machen. Es gibt hier eine größere Modeszene – das Park mit bekannten independent Labels und ein paar kleine Wiener Labels, die sich halten konnten. Es ist schon die richtige Gegend für uns, aber es ist ein anderes Umgehen mit Mode.

Durch die Übersiedlung in die Räume von Andreas Wall habt ihr euch stark vergrößert. Wie wird sich das auf euer Sortiment auswirken? Was fehlt in Wien – bzw. was kann man im Siebten verkaufen?

Verglichen mit dem Geschäft in der Schadekgasse haben wir die Fläche verdoppelt. Aber durch die enorme Raumhöhe ist es noch viel großzügiger. Auch weil Andreas in den vergangenen 20 Jahren hier einen Multilabel-Store aufgebaut hat, haben wir uns entschlossen, Kollektionen von Kollegen aufzunehmen, sowie Dinge wie Parfums und Sonnenbrillen. Zum Beispiel hat Andreas schon seit fünf Jahren Henrik Vibskov geführt und wir werden ihn weiterführen. Wir haben im März in Paris eingekauft und freuen uns schon sehr auf die Lieferung. Für uns ist das neu, weil wir ja bei unseren eigenen Kollektionen immer an der Entstehung beteiligt sind. Jetzt kommen Labels aus Berlin, Japan und Amerika. Gleichzeitig haben wir auch Teile von lokalen Labels aufgenommen, wie etwa Rosa Mosa und Eva Blut.

Werkstatt: Dampfbügeleisen (c) die Ida

Mit welcher Strategie geht ihr an das Sortiment heran? Was passt gut zu eurem Portfolio?

In den Showrooms in Paris haben mich handwerkliche Dinge angezogen. Henrik Vibskov ist da eine Ausnahme. Er ist ein Modedesigner, der sehr mit dem Design spielt. Andere Labels, die wir auch geordert haben, sind eher handwerklich orientiert. Wie zum Beispiel Antipast oder 11.11 /Eleven Eleven. Letzteres ist ein amerikanisches Designteam, das mit Kunsthandwerkern in Indien zusammenarbeitet. Dadurch werden ihnen traditionelle Druck-, Färbe- und Patchwork-Techniken zugänglich, die sie mit einem zeitgenössischen Twist interpretieren. Das gibt es so in Wien noch nicht und ich bin gespannt, wie es aufgenommen wird. 

Ihr habt 2020 erstmals im AFA DACH-Showroom in Paris präsentiert. Wie war das Feedback?

Wir haben nicht nur Modus Vivendi präsentiert, sondern auch Produkte für das Domus Vivendi geordert. Dabei haben wir viel für unser Geschäft gelernt, weil wir unsere eigenen Schwächen in der Konzeption sofort erkannt haben. Zum Beispiel haben wir viel zu viele Farbvarianten angeboten. Unter anderem hat ein toller New Yorker Store bei uns geordert, das hat uns sehr gefreut. Sie wollten unsere melierten Pullover gemeinsam mit den Teilen von Julia Heuer präsentieren, eine Berliner Designerin, die gerade ziemlich gehypt wird. Aber nach dem Shutdown haben sie gefragt, ob sie die Order offenhalten und im Herbst gegebenenfalls spontan bestellen dürfen. Und genau das ist ja unsere Stärke, dass wir auch relativ kurzfristig reagieren können.

Werkstatt: Strickmaschine (c) die Ida

Werdet ihr weiter in Paris präsentieren?

Ja auf jeden Fall möchten wir unsere Kollektion weiter international anbieten. Das sollte sich dann auch positiv auf unseren Online-Shop auswirken. Um ein Produkt international zu vermarkten, ist eine klare Kommunikation unbedingt notwendig – und die braucht es letztlich auch für den stationären Handel. Unlängst habe ich gelesen, dass Menschen nicht das für sie tollste Produkt kaufen, sondern das für sie verständlichste. Das sehe ich jetzt als große Herausforderung, weil wir die Nachhaltigkeit unserer Produkte kommunizieren möchten und dabei weder in die Ökorichtung noch in die wissenschaftliche Richtung abdriften möchten. Das eine ist zu moralisch und das andere zu abgehoben. Jemandem, der Mode nicht als Hobby hat, ist das vielleicht zu viel. 

Danke für das Gespräch.

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