Kleidung ohne Ablaufdatum

Lisa Mladek und Antonia Maedel machen mit ihrem Label Rudolf Vienna Slow Fashion. Sie arbeiten abseits des hektischen Modekalenders und auf möglichst nachhaltige Art. Spezifisch an ihren textilen Designs sind die Naturfarben, die Lisas Vater in seiner Färberei entwickelt hat.

„Wir haben uns schicksalhaft getroffen“, sagt Antonia Maedel. Sie und Lisa Mladek, waren im akademischen Gymnasium am Wiener Beethovenplatz Klassenkolleginnen. Nach Jahren sahen sie sich zufällig auf einer Hochzeitsfeier wieder und stellten fest, dass sie die gleiche Leidenschaft verfolgen: natürliche Textilfarben. Lisa hatte gerade im Betrieb ihres Vaters den Bereich Naturfarben übernommen. Antonia hatte am London Chelsea College of Art and Design Textildesign studiert und ihre Masterarbeit über Naturfarben geschrieben.

Dieser Artikel erschien am 1. März 2019 im Wiener Journal

Damals pendelte sie gerade zwischen Wien und London und arbeitete im Trend Consulting für Interieurhäuser. Ihre Kommilitonen waren in großen Luxusmodehäusern angestellt und extrem fordernden Arbeitssituationen ausgesetzt. Trotzdem lebten sie in London noch wie Studierende. Sie selbst pendelte zwischen Wien und London und wollte eigentlich nichts mit Mode machen. Sie entschied sich erst für Wien, als sie mit Lisa das eigene Label gründete. Antonia: „Weil Rudolf wirklich etwas ist, hinter dem ich voll und ganz stehen kann.

Lisa Mladek war seit ihrer Kindheit mit der väterlichen Färberei vertraut und begann schon mit Sechzehn dort in den Ferien auch zu arbeiten. Nach der Schule wollte sie eigentlich etwas Handwerkliches machen, strebte aber im Sog ihrer Klassenkollegen doch einen Universitätsabschluss an. Nach vier Jahren in drei verschiedenen Studienrichtungen beschloss sie ihren wirklichen Interessen zu folgen. Als sie ihrer ehemaligen Klassenkollegin Antonia auf der Hochzeit wiederbegegnete, hatte Lisa einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften und zwei Lehren – eine in Textilchemie und eine in Goldschmiede. Kurz zuvor hatte sie sich gegen ein Schmucklabel und für die Mitarbeit im väterlichen Betrieb entschieden. Lisa arbeitet gern im Team und so war sie froh, in Antonia eine Verbündete gefunden zu haben.

Industrielles Färbeverfahren auf pflanzlicher Basis

Rudolf Fritsch, Lisas Vater, führt die Färberei in zweiter Generation und ist auf das Färben von Seidengarnen spezialisiert. 2004 stieß er zufällig auf pflanzlich gefärbte Schurwolle und experimentierte über zehn Jahre, bis er ein markttaugliches Färbeverfahren auf pflanzlicher Basis entdeckt hatte. Die Farben sind reproduzierbar, waschecht, schweißecht, lichtecht und industriell herstellbar. Fritsch ist Maschinenbauer und adaptierte die bestehende Anlage, um auch Naturfarbprozesse abwickeln zu können.

Es gibt kaum Überlieferungen von Farbrezepten aus der Zeit vor den synthetischen Textilfarben und die Entwicklung geeigneter Färbeprocedere erforderte umfassende Forschungsarbeit. Um Farbtöne zu nuancieren, werden die Garne mit natürlichen Stoffen wie etwa Weinstein, Alaun, Tannin oder Eisensulfat vor- und/oder nachgebeizt. Art und Menge des Farbstoffes und der Beizen entscheiden über die Nuance des Farbstoffs. Selbst wenn eine Rezeptur für einen neuen Farbton entschlüsselt ist, ist diese nur für einen Materialtyp anwendbar. Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle reagieren verschieden auf ein und dieselbe Rezeptur. Sogar die regionale Herkunft der Naturfaser wirkt sich auf das Ergebnis aus.

Antonia, die das Geschehen auf internationalen Fachmessen verfolgt, hat noch keine vergleichbare Naturfärberei entdeckt. Zitat: „In der Form gibt es Naturfärbeprozesse im deutschsprachigen Raum sonst nirgends.“ In dem Zusammenhang erwähnt sie auch eine Thesis zur gesundheitsfördernden Wirkung von Naturfarben, die eine Studienkollegin gerade verfasst und deren Ergebnisse sie schon mit Spannung erwartet.

Rezepturen für Naturfarben sind aufwändig und der Farbausfall variiert materialspezifisch. Sogar die regionale Herkunft der Naturfaser wirkt sich auf den Farbausfall aus.

Das Label Rudolf nutzt die Synergie-Effekte zur Naturfärberei und vice versa. Z.B. hat Rudolf gestrickte Kissen aus feiner Merinowolle im Portfolio, die sich gut für Muster eignen und so die Qualität der Naturfarben zeigen. „Viele glauben, dass Naturfarben nicht intensiv sein können. Das stimmt nicht. Unsere Produkte zeigen die Brillanz und Vielfalt der möglichen Farbnuancen“, sagt Lisa. Anders als Interieur sind die Kleidungsstücke, die sie fertigen, meist in zurückhaltenden Farben gehalten – um den Anforderungen von Zeitlosigkeit und Kombinierbarkeit gerecht zu werden.

 

Rudolf Vienna
Die Naturfarben (c) Rudolf Vienna

Das Atelier des Labels liegt in der Draschestraße im 23. Bezirk. Ein leichter Geruch von Essig liegt in der Luft. Ein essigartiges Mittel wird verwendet, um die Farbe im Garn zu fixieren. In einem zentralen Raum ist die Kollektion zu sehen. In einem Nebenraum steht ein großes Regal, in dem die natürlich gefärbten Strickgarnspulen übersichtlich gelagert sind. Auch ein alter Webstuhl steht im Atelier. Antonia hat ihn auf E-Bay gekauft, in seine Einzelteile zerlegt, geputzt, gewartet und wieder zusammengebaut. Darauf will sie die Stoffmuster für Rudolf weben. Alle Materialien werden im Garn gekauft, um dann gestrickt und gewebt zu werden.

Lisa und Antonia wissen, dass nur wer nicht produziert, wirklich nachhaltig handelt. In ihrer Rolle als Modeschaffende sehen sie das Kriterium der Nachhaltigkeit dann erfüllt, wenn Kleidung aufgetragen oder vererbt wird, in jedem Fall aber verrottbar ist. Die Prämisse der Verrottbarkeit bedingt – im Fall von Rudolf – natürliche Fasern, schließt aber auch Zubehör wie Zippverschlüsse und konventionelle Knöpfe aus. Die Knöpfe, die sie verwenden, sind aus Posamenterie, mit Stoff überzogen oder aus Zwirn, wie man sie von Bettwäsche kennt. Einzig Gummizüge sind unverzichtbar, obwohl noch nicht biologisch abbaubar. Aber auch verrottbare Gummizüge werden bald verfügbar sein.

Natürliche Fasern liegen weich auf der Haut

Im Portfolio sind ausschließlich Dinge, die das Label aufgrund der lokal verfügbaren Ressourcen auch wirklich leisten kann. Neben Kleidungsstücken für Damen sind dies Accessoires für Herren und Interieur. Einer ihrer ersten Grundsätze war es, nur wenige und ausgewählte Teile mit ausgefeilten Schnitten und zeitloser Ästhetik zu führen. Außerdem sollen alle Teile miteinander kombinierbar sein – und möglichst vielen passen. Die Modelle erscheinen im One-Size-Modus und decken die Größen von 34 bis 46 ab. Die meisten Teile sind ganzjährig zu tragen. Wobei sich Leinen und Seide eher für den Sommer eignen und Merinowolle eher für den Winter.

Der minimalistische Anspruch ist nicht einfach zu erfüllen, nimmt aber der Garderobe die übliche Kompliziertheit. Um doch immer wieder frische Impulse zu setzen, wird die Kollektion saisonal ergänzt und in Farben, Dessins und Stoffen überarbeitet. Basis jeder Kollektion sind die Farben. Aufbauend darauf erfolgt die Auswahl der Stoffe und in weiterer Folge der Silhouetten. Die Modelle leben wesentlich von der Haptik. Natürliche Materialien fühlen sich weich auf der Haut an. Das liegt auch daran, dass ihre Produkte ohne synthetische Appretur auskommen und mit biologischen Weichmachern behandelt werden.

Auf das Stricken sind Lisa und Antonia gekommen, weil die Arbeit mit Garnen ressourcenschonender ist als jene mit Stoffen. Stoffe werden in großen Metragen gewebt und das führt unweigerlich zu Restmengen. Strick ist garnbasiert und lässt auch die Anfertigung von Einzelstücken zu. In Rohstoffbeschaffung und Fertigung versuchen sie möglichst lokal zu agieren, um den ökologischen Fußabdruck gering zu halten. Keiner ihrer Geschäftspartner ist weiter als 150 km entfernt. Ihr Ideal wäre es in Österreich gesponnene Fasern in Österreich zu verarbeiten. Der Grundsatz scheitert allerdings manchmal an den fehlenden Ressourcen. Z.B. können sie österreichische Wolle nicht verwenden, weil sie zu grob ist. Das geeignete GOTS-zertifizierte Rohmaterial beziehen sie aus Südamerika. GOTS steht für Global Organic Textile Standard. Auch die Verwendung der zellulosebasierten Fasern des heimischen Herstellers Lenzing wurde erschwert. Die Vorarlberger Spinnerei, mit der sie zusammenarbeiteten hat die Produktion eingestellt.

Den Vertrieb steuern die beiden über die Präsentation auf Fachmessen, wie z.B. dem Neonyt Showroom in Berlin. Zuletzt präsentierten sie auch im DACH-Showroom in Paris, dessen Österreichbeitrag von der Austrian Fashion Association kuratiert wird. „Unsere Produkte sprechen für sich, sagt Antonia, „die Kunden kommen auf uns zu, weil ihnen die Naturfarbe auffällt. Ich kenne sonst kein Label, das ausschließlich mit Naturfarben arbeitet.“

 

Antonia Maedel (li)-und-Lisa Mladek (c) Mato Photography
Antonia Maedel (li) und Lisa Mladek (c) Mato Photography
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