Die Altkleidersammlung und -sortierung erfolgt großteils noch händisch. Ein Stolperstein auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Weil das viel zu aufwändig ist und die laufende Menge an abgegebenen Altkleidern enorm. Roboter könnten den Workload bewältigen, aber noch fehlt ihnen die Fingerfertigkeit, die das Hantieren mit den weichen Textilien erfordert. auch Konsumierende könnten helfen, die Sortierung von Altkleidern zu erleichtern.
Erschienen am 5. Juli 2025 in die Presse
Jeder kennt es: Saison für Saison müssen ungeliebte oder verschlissene Kleider für Neues Platz machen. Momente der Pein und der Läuterung. Fehlinvestitionen, die erst das eigene Budget und dann die Umwelt belasten. Retter des guten Gewissens ist der Sammelcontainer an der nächsten Ecke, der dafür sorgt, dass gut Erhaltenes zur Second Hand-Ware wird und Verschlissenes z.B. im Downcycling zu Putzlappen. Was einfach klingt, ist in Wirklichkeit ziemlich kompliziert. Jedes Teil muss von fachlich geschulten Mitarbeitenden mehrfach in die Hand genommen und eingeschätzt werden. In einem ersten Durchgang sortiert man Dinge aus, die sich nicht für das Recycling eignen, wie etwa Schuhe, Stofftiere oder Verunreinigtes. In einer Reihe weiterer Sortierschritte kategorisiert man die gebrauchten Kleider nach Zustand, Qualität und sonstigen Merkmalen.
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Das ist aber viel zu aufwändig. Denn will das EU-Ziel der textilen Kreislaufwirtschaft erreicht werden, dann müssen wirklich alle Textilien erfasst werden und das bedeutet eine enorme Steigerung der Mengen. Dafür sei das bestehende System nicht gerüstet, erklärt Markus Ikeda, der im außeruniversitären Forschungsinstitut Profactor in Steyr an Robotik und Automationssystemen forscht. Aktuell ist er Leiter des Projekts GemSort, ein von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstütztes Projekt zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Seine Forschungspartner sind das Austrian Institute of Technology (AIT), die TU Wien mit dem Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN), die Montanuniversität Leoben sowie die Kunstuniversität Linz. Weiters beteiligt sind Technologie- sowie etablierte Sammel- und Sortierunternehmen.
Wiederverwendbare Kleidung identifizieren
In der Sortierung ist der Stand der Technik schon weit fortgeschritten. Maßstab ist die erste großtechnische Sortieranlage Siptex, die im schwedischen Malmö steht. Basierend auf Nahinfrarotlicht und visueller Spektroskopie, sortiert sie Textilabfälle nach Farbe und Faserzusammensetzung. Dabei werden die Teile beleuchtet und das Licht wird je nach Material auf unterschiedliche Weise reflektiert. „Das ermöglicht die Verarbeitung großer Mengen und die Einteilung in Textilfraktionen, die für verschiedene Recyclingverfahren geeignet sind“ erklärt Ikeda. Unberücksichtigt bleibe jedoch der Aspekt der Wiederverwendung – und das sei eines der Forschungsziele in GemSort.
Der Hintergrund: Gut erhaltene, qualitativ hochwertige Kleidung zu schreddern, wäre nicht nachhaltig. Nachhaltiger wäre es, sie als Second Hand Ware zu identifizieren, um ihr ein zweites Leben zu geben. Dazu gilt es aber Qualität und Erscheinungsbild präzise zu erfassen. Im österreichischen Konsortium will man nun untersuchen, ob dies auch automatisiert möglich ist. Der technische Ansatz: In den Sortierprozess Bilderkennung integrieren und diese mit Nahinfrarot-Technologie und Künstlicher Intelligenz kombinieren.
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Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zur automatischen Sortierung von Altkleidern liegt in der Natur des Textils. Es ist biegeschlaff. Anders als etwa Papier oder PET-Flaschen, liegt es formlos auf dem Fließband und ist erst eindeutig identifizierbar, wenn es flach aufgelegt wird. Das GEMSort-Team untersucht nun, ob es möglich ist, das erforderliche Prozesswissen zu generalisieren und der Maschine beizubringen, Kleidungsstücke flach aufzulegen. Der Roboter soll den Sortierprozess von Menschen lernen, die ihn händisch demonstrieren. Das Fachwissen für die automatisierte Handhabung von biegeschlaffen Artikeln, bringt der Projektpartner TU Wien ein.
Engagement der Verbraucher
Wie schon vorangegangene Studien zeigten, kommen gebrauchte Kleider in besserer Qualität im Sortierwerk an, wenn Verbraucher und Verbraucherinnen mitwirken. Deshalb forscht das Konsortium an Motivations-Mechanismen, die eine Sammel-Community dazu anregen, wiederverwendbare Kleider getrennt zu sammeln. Für deren Unterstützung wird an einer App geforscht, die unter anderem Fachwissen und KI-basierte Bildverarbeitung enthält. Gleichzeitig soll der bisweilen alles schluckende Container durch einen intelligenten Selbstbedienungsterminal ersetzt werden. Das AIT wird die Gestaltung und Evaluierung der Systeme gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz koordinieren und gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben zur abschließenden Folgenabschätzung des Systems beitragen.
Nicht jedes wiederverwendbare Kleidungsstück entspricht dem Trendempfinden der jungen Zielgruppe in Second Hand Läden. Die Möglichkeit, die Kleider gewinnträchtigen Meta-Kategorien wie etwa „Vintage“ zuzuordnen soll mit der Expertise der Abteilung Fashion & Technology (FAT) der Kunstuniversität Linz geklärt werden.
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Hildegard Suntinger
