Durchbruch: Recycling von Elasthan in Textilien

Kleider mit Elasthan sind körpernah, ohne einzuengen. Eine Verbindung von Ästhetik und Komfort, auf die niemand mehr verzichten möchte – egal, ob man das Fahrrad nutzt oder die U-Bahn. Aber die flexible Faser wird Materialien wie Baumwolle, Wolle oder Leinen beigemischt und dadurch sind diese nicht mehr sortenrein. Das bedeutet eine große Hürde im Recycling und auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. 

Recycling von Elasthan
(c) Unsplash – Munbaik Cycling Clothing

Laut EU-Parlament wird erst ein Prozent der gebrauchten Kleider zu neuen Textilien recycelt – und das bei massiv gestiegenem Konsum. Die Gründe sind vielfältig und vor allem technischer Natur. Während das Recycling von sortenreinen Textilien wie etwa aus Baumwolle oder Polyester schon möglich ist, ist das Trennen und Wiederverwenden von Mischfasern noch Gegenstand der Forschung. Besonders schwierig gestaltet sich der Prozess beim allgegenwärtigen Elasthan.

Angestrebtes Ideal ist das Faser-zu-Faser-Recycling, bei dem man Fasern aus alten Textilien zurückgewinnt und zu neuen Fasern verarbeitet, erklärt Tung Pham, der Leiter des Forschungsinstituts für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck. Aber das erfordere einen hohen Reinheitsgrad der verschiedenen Komponenten von Mischtextilien und Elasthan störe das Recycling selbst dann, wenn es in der Regel nur in geringen Anteilen von 1- bis 5% vorhanden sei. Er und sein Team forschen an dem Problem – und konnten unlängst einen Durchbruch verzeichnen. 

Lösungsmittel vs. Hitzeeinwirkung

Bisweilen gibt es zwei verschiedene Ansätze, Elasthan von textilen Fasern zu trennen: Entweder man baut die elastische Faser durch Hitzeeinwirkung ab oder man lässt sie mit Lösungsmitteln schwinden. Aber beides ist noch mit Problemen behaftet: So könnte Hitze zum Beispiel auch andere Teile der Mischtextilien beschädigen oder unerwünschte Rückstände bilden. Hingegen sind die bisher bekannten Lösungsmittel für Elasthan giftig und umweltschädlich. Pham und sein Team wollten eine zerstörungsfreie Variante finden und entschieden sich für den Ansatz mit den selektiven Lösungsmitteln. Ihr Forschungsinteresse galt den besonders häufigen Mischtextilien auf Baumwoll-, Nylon- und PET-Basis. PET ist die Abkürzung für Polyethylenterephtalat, eine Faser, die teilweise aus recycelten Kunststoff-Flaschen besteht. 

Ein effektives Mittel fanden sie in einem Gemisch aus zwei verschiedenen Lösungsmitteln, die beide schon in anderen industriellen Prozessen Anwendung finden. Mehrheitlich besteht das Gemisch aus einem niedrigsiedenden Lösungsmittel, das vollständig biologisch abbaubar und aus landwirtschaftlichen Abfällen wie Zuckerrohr, Bagasse oder Maisspindel gewonnen wird. Diese sind nicht essbar und dadurch nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln. Das zweite Lösungsmittel ist hochsiedend, ungiftig und polar. Dessen Vorteil: Es ermöglicht auch für die Lösungsmittel einen Kreislauf, so dass diese zurückgewonnen und wiedergenutzt werden können. 

Textiles Recycling - Recycling von Elasthan
„Reproduced from Vonbrül et al., Resources, Conservation and Recycling (2024), 200, https://doi.org/10.1016/j.resconrec.2023.107302, licensed under CC BY 4.0.“

Vollständiger Kreislauf

Die in dieser Kombination neuartige Mischung von Lösemitteln ist bei Raumtemperatur anzuwenden und löst das Elasthan innerhalb kurzer Zeit auf. Die anderen Fasertypen – Baumwolle, Nylon und PET – bleiben dabei unversehrt. Die Auflösungszeit hängt stark davon ab wie zugänglich das Elasthan für das Lösungsmittel ist. Aber in ersten Untersuchungen vollzog sich die vollständige Auflösung in der Regel in weniger als einer Stunde.

Auch das aufgelöste Elasthan ist nicht verloren und in den Kreislauf rückführbar. „Es kann durch einfaches Verdampfen des niedrig siedenden Lösungsmittels bei milden Temperaturen (60 Grad Celsius) unter vermindertem Druck zurückgewonnen werden“, erklärt Lukas Vonbrül, Doktorand am Institut und Mitglied des Forschungsteams. 

Anschließend kann man das zurückgewonnene Nylon und PET im Schmelzspinnverfahren zu neuem Garn verarbeiten. Die Baumwolle kann man auflösen und zu regenerierten Zellulosefasern verspinnen. 

Das Verfahren ermögliche erstmals ein Faser-zu-Faser-Recycling. Aber bevor es industriell angewendet werden kann, müsse es noch eine Optimierungs- und Upscaling-Phase durchlaufen und dazu brauche es noch mutige Industriepartner und Forschungsförderung, erklärt Tung Pham. 

Die EU will bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft etablieren – um Textilabfälle zu reduzieren und Lebenszyklus und Recycling von Textilien zu verbessern. Neben innovativen Recyclingmethoden soll auch ökologisches Design Abhilfe leisten – mit einer Produktgestaltung, die die Reparatur erleichtert. Weiters sollten Kleidungsstücke einfach sortenrein zerlegbar sein. Da Mischtextilien mit Elasthan nicht mehr wegzudenken sind, ist die Innovation der Universität Innsbruck von hoher Bedeutung.

In Zahlen: 

26 Kilogramm hat die Menge an Kleidungsstücken, die Europäer im Durchschnitt jährlich konsumieren. 

391 Kilogramm – das ist die Menge an Rohstoffen, die der Textilverbrauch eines durchschnittlichen europäischen Konrumenten 2020 erforderte. 

11 Kilogramm Textilien wirft ein Europäer im Durchschnitt jährlich weg. 87 % davon werden verbrannt oder landen auf Mülldeponien. Der Rest wird wiederverkauft oder unterläuft ein Downcycling.

Quelle: Europäisches Parlament 

Bildrechte: 

„Reproduced from Vonbrül et al., Resources, Conservation and Recycling (2024), 200, https://doi.org/10.1016/j.resconrec.2023.107302, licensed under CC BY 4.0.“

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