Fanny Karst: Coolness ist keine Frage des Alters!



Die Modedesignerin Fanny Karst will die Modewelt revolutionieren. Sie holt ältere Damen aus der gesellschaftlich verordneten Unsichtbarkeit und verleiht ihnen die elegante Coolness, die ihrer Haltung entspricht. Ihre Designs sind unkompliziert und lenken die Aufmerksamkeit auf die schönsten Körperpartien ihrer Klientinnen. Im Interview erzählt sie von ihrer Idee und ihren kühnen Klientinnen.


Die 27-Jährige FannyKarst will beweisen, dass man in jedem Alter elegant und cool sein kann. Ihre Musen sind Louise Bourgeois, Andrée Putman und Jeanne Moreau. Dahinter stehen ganz persönliche Gründe: Schon als Kind bewunderte sie ihre Großmutter und deren unnachahmliche Haltung. Heute liest sie daraus eine Stärke, die aus Lebenserfahrung und -philosophie entsteht. Mit ihrer Kollektion möchte sie der inneren Haltung älterer Damen äußere Coolness hinzufügen. Fanny Karst: „Mit fortschreitendem Alter hören Frauen auf, kokett zu sein, weil sie glauben, dass sie keiner mehr anschaut. Aber das ist ein großer Irrtum.“ 

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Fanny Karst, Modedesignerin und Gründerin des Labels The old Ladies Rebellion (c) Fanny Karst

Karsts Modelle zeigen künstlerische und handwerkliche Reife. Sie verwendet viel Zeit, die Teile noch einfacher und praktischer zu machen. Das macht sie auf den ersten Blick simpel. Erst bei näherem Hinsehen offenbaren sich die Raffinesse des Schnittes und die exzellente Ausführung. Das sei sie ihren Kundinnen schuldig. Denn sie wissen ganz genau, was sie wollen, so Karst.

Der Stil ist elegant und vermittelt einen Hauch von Rock’n Roll und Sexiness. Karst beherrscht die Kunst, die Aufmerksamkeit auf die schönsten Körperpartien ihrer Klientinnen zu lenken – das sind manchmal die Beine und meistens die Handgelenke. Auch der Minirock ist kein Tabu.

Durchdachte Konstruktion

Die schwer fallende gewaschene Seide und die raffinierten Schnitte verleihen eine schlanke Silhouette. Wichtig, die Schulterpolster, die einen besseren Fall gewährleisten. Auch legen sich die Kleider weder an Brüsten noch an Hüften unschön an und bauschen auch nicht. Oft verläuft ein Print in der Mitte des Kleides und lenkt so den Blick weg von der Konturen. Kleider und Prints können unabhängig voneinander geordert und angepasst werden. Ein bedrucktes Seidenkleid kostet ab 650 Pfund und bedruckte Seidenjacken kosten ab 450 Pfund.

Bereit zur Revolution

In Frankreich geboren, hat sich Fanny Karst dennoch entschieden, in London zu leben. Und The Old Ladies Rebellion hat auch etwas vom britischen Humor. Als sie ihre Kollektion erstmals in Paris zeigte und dazu laute Hip-Hop Musik spielte, war das Publikum etwas indigniert …  Fanny Karst hält es aus. Will sie doch die Modewelt revolutionieren.


Zum Zeitpunkt des folgenden Interviews ist die Designerin gerade in New York um ihre Kreationen in den Räumen des bekannten Maßschneiders Bruce Cameron Clarke erstmals den New Yorkerinnen vorzustellen.

The Old Ladies Rebellion, Fanny Karst
Modelle aus der Kollektion The Old Ladies Rebellion (c) Fanny Karst

Sie haben schon in ihrer Diplomarbeit über Coolness für alte Damen geschrieben. Was waren die wesentlichen Befunde?


Ich habe die Existenz einer raren aber erlesenen Kolonie von alten Ladies entdeckt, die dabei sind, die Welt zu erobern. Sie weigern sich dem Muster ihrer Eltern zu verfallen – nämlich zu altern und beiseite geschoben zu werden. Interessant daran finde ich, dass Menschen genauso altern, wie sie auch gelebt haben. Oft sagen meine Models, dass  sie sich im Herzen so fühlen, als seien sie immer noch zwanzig Jahre alt.

Schon ihre erste Kollektion war erfolgreich. Wie waren die Reaktionen?


Am wichtigsten ist es, den hohen Standards der Zielgruppe in Stoff und Schnitt gerecht zu werden und dabei trotz Zweckmäßigkeit einen Hauch von Eleganz zu wahren. Was ich ständig von meinen Klientinnen höre ist, dass sie eigentlich lieber Hosen tragen möchten. Auch meine Mutter macht das. Aber richtig gute Hosen anzufertigen ist eine sehr heikle Sache. Und das ist derzeit auch mein größtes Problem.

Konzept und Slogans sind gewagt. Wie kommt das an, bei einer Zielgruppe, die man allgemein mit Würde assoziiert?


Die Slogans sind politisch. Dahinter steckt die Idee, die alten Damen auf ein Podest zu stellen. Sie wären übrigens überrascht zu sehen, wie kühn sie sind. Ich habe eine neue Klientin, die 65 Jahre alt ist. Sie will im kommenden Feber heiraten und ich soll ihr dazu ein Kleid mit dem Print Burning Sea anfertigen. Ja, gewissermaßen ist mein Konzept gewagt, aber ich würde nie zu weit gehen, nur um einen Skandal zu provozieren.

Eine der Damen auf Ari Seth Cohen’s* Modeblog Advanced Style sagt, Alterskohortinnen sehen in ihr eine Erlaubnisgeberin für einen individuellen Kleidungsstil. Ist Individualität im höheren Alter immer noch ein Tabu?


Ich glaube, dass jeder, der sich glamourös kleidet bewundert wird – egal welchen Alters. Eine gut gekleidete 80-Jährige kann ungestraft einen Mord begehen. Ein Tabu wäre es, bloß der Neuheit wegen für alte Damen zu designen, um etwas noch nicht Dagewesenes zu machen. Tatsächlich zählt am Ende nur die Qualität des Produkt und ganz besonders die Passform.

The Old Ladies Rebellion, Fanny Karst
Modelle aus der Kollektion The Old Ladies Rebellion (c) Fanny Karst

Sie bevorzugen einen Stil der »Chic aber ohne Chichis« ist. Erzählen Sie uns mehr über das Stilkonzept von The Old Ladies Rebellion


Meine Klientinnen brauchen Bewegungsfreiheit. Deshalb sind die Schnitte einfach und gerade und schmeicheln jeder Silhouette.  Der Print ist die Botschaft. Was auch immer die Trägerin an diesem Tag zu sagen hat …

Sie haben das Schneiderhandwerk bei Chittleborough & Morgan in der Londoner Savile Row gelernt. Technisch gesehen: Was sind die wichtigsten Features?


Am wichtigsten ist der Schnitt, die Attitude und die subtilen Details, welche die schönsten Partien des Körpers unterstreichen.

Bitte erzählen Sie mehr über den Herstellungsprozess. 


Wir nehmen erst die Maße der Kundin und bedrucken dann den Stoff in Abstimmung auf ihre Größe, Figur und speziellen Anforderungen. Für individuelle Anpassungen setzen wir zwei Anproben an. Nach der zweiten Anprobe ist das Kleid fertig.

Sie benutzen sehr elegante und zurückhaltende Farben, bzw. Nichtfarben wie Taubengrau, Silber, Weiß, helles Navy, Schwarz und Akzente in Purple?


Ich habe keine spezielle Farbphilosophie, orientiere mich aber an den Farben meiner Prints, die ich i.d.R. Photographien entnehme. Glücklicherweise passen alle diese Farben sehr schön zu grauem oder weißem Haar. Bei  Pastells ist das hingegen nicht der Fall, darum verwende ich sie nie!

Die amerikanischen Damen auf dem Modeblog von Ari Seth Cohen haben eine Vorliebe für kräftige bunte Farben. Glauben Sie an einen globalen Modemarkt oder an verschiedene Märkte und verschiedene Moden?


Der Kern von Ari’s Ladies besteht aus einer kleinen Gruppe von amerikanischen Exzentrikerinnen, die ein unglaublich spannendes Leben führen und das spiegelt sich auch in ihren Kleidern und ihrer Attitude. Sie inspirieren mich sehr, aber meine europäischen Klientinnen haben einen viel klassischeren Geschmack. Was sie alle gemeinsam haben ist, dass sie weder modischen Gruppierungen angehören noch Trends anhängen. Mode und Trends sind ihnen nicht wichtig, weil sie genau wissen, was ihnen steht. Ari’s Ladies sehe ich übrigens diesen Monat in New York bei Bruce Cameron Clarke

Und wie ist ihre aktuelle Kollaboration mit Bruce Cameron Clarke, Bespoke Clothier in New York entstanden?


Ich habe Bruce durch Chittleborough & Morgan kennengelernt. Die beiden haben in den 1970er-Jahren gemeinsam mit Tommy Nutter** gearbeitet. Bruce stellt mir einen Raum in seinem Store auf der Lexington Avenue zur Verfügung, damit ich meine New Yorker Kundinnen treffen kann. Dafür bekommt er von mir Tipps für die Schnitte von Herrenboxer-Shorts.

Sie sind in Frankreich geboren und leben in London. Was mögen Sie an London?


Die Savile Row, Marks & Spencers, durch Soho zu spazieren, Gilbert & George, Chips und noch mehr …

Zur Person:


Fanny Karst (27) wurde in Frankreich geboren und verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in London. Die Nichte von Jean Charles de Castelbajac absolvierte die Central Saint Martins in London in der Fachrichtung Modedruck. Nach Abschluss 2007, ging sie ein Jahr beim Savile Row Schneider Chittleborough & Morgan in London in die Lehre. Es folgte ein Jahr in der Pariser Galerie Crévecoeur. 2009 gründete sie ihr eigenes Label The Old Ladies Rebellion. Schon die erste Kollektion war ein Erfolg. Für ihre zweite Kollektion, Karst & Co – eine chice Sportswear-Kollektion für Damen, die keinen Sport betreiben, aber gerne Matches ansehen – war es vielleicht noch zu früh. Im Rückblick spricht sie von einem „unmöglichen Traum“.

Hildegard Suntinger

* Ari Seth Cohen ist Gründer des Modeblog Advanced Style, in dem er coole Streetstyles älterer New Yorkerinnen präsentiert.

** Tommy Nutter war ein Schneider in der Savile Row der 1970er-Jahre: Er verband die klassische Schneiderei mit innovativem Design. Zu seinen Kunden zählten die Beatles, Mick und Bianca Jagger sowie Elton John. 

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